Im Kalten Krieg war auch der Umgang mit politischen Frauenrechten und sozialen Handlungsräumen von Frauen ein Schauplatz des Systemkonflikts: Während die Länder der sowjetischen Einflusssphäre die politische Gleichstellung von Frauen und damit auch die massenhafte Erwerbstätigkeit von Frauen zur Basis ihres Gesellschaftsentwurfs machten, nahmen die Länder des Westens die patriarchale Geschlechterordnung der bürgerlichen Familie als Ausgangspunkt ihrer Gesellschaftsordnung und zementierten so bis weit in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinein die eklatante Ungleichbehandlung der Frauen durch Trennung der öffentlichen und privaten Sphären. Dabei versuchten Sowjetunion und USA und ihre Verbündeten jeweils auch ihre Geschlechterordnungen auf dem Wege invasiver Entwicklungspolitiken in die Länder des globalen Südens zu exportieren, die wiederum vor Ort auf eigene Aneignungs- und Gegenbewegungen von Frauen trafen. Erst das Ende des Kalten Krieges brachte Bewegung in die Geschlechterordnungen in Ost und West zugunsten einer erneuten Thematisierung von Frauenrechten und einer Ausweitung bzw. Neubegründung globaler feministischer Bewegungen. Hier setzt die Übung an und vergleicht Gleichstellungspolitiken und vor allem weiblichen Aktivismus in Ost und West in der Zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Insgesamt wissen wir noch viel zu wenig darüber, wie sich Frauen in den beiden politischen Einflusssphären seit Mitte des 20. Jahrhunderts organisierten, wie sie den vielfältigen Einhegungen ihrer Rechte begegneten, wo sie im Systemkonflikt Potentiale zu nutzen verstanden und neue Freiräume erstritten (und wie diese jeweils definierten), wo Austausch- und Verständigungsprozesse lagen, wo Konfrontationen entstanden (mit Männern, Experten, Regierungen, (ehemaligen) Kolonialmächten oder patriarchal strukturieren sozialen Bewegungen (Studentenbewegungen, aber auch antikoloniale Befreiungsbewegungen), politischen oder ideologischen Gegner*innen, Konzernen). Kurz: die Geschichte der Globalisierung im Kalten Krieg und der Herausbildung einer neuen globalen Ordnung ab 1989/91 bietet immens viel ungeschöpfte Potentiale für neue Forschungen, wenn man sie auch als eine Geschichte weiblichen Aktivismus und des Feminismus begreift und analysiert.

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2021