Räuberhauptmänner und Rabenmütter, Brandstifter und Seeräuberinnen, vom Unglück Geschlagene und verzweifelt Liebende – von Figuren wie diesen und ihren grau- oder wundersamen Schicksalen erzählen die populären Lesestoffe, die wir in diesem Seminar kennenlernen. Als ‚populär‘ können diese Lesestoffe deshalb bezeichnet werden, weil sie im 19. Jahrhundert massenhaft verbreitet waren und von ‚den Massen‘ gelesen bzw. rezipiert wurden. Kolporteure, mobile Händler:innen, die von Tür zu Tür gingen oder auf den Märkten auftraten, brachten Heftchen und Drucke auch zu den Menschen auf dem Land und den kleinbürgerlichen Schichten. ‚Populär‘ waren diese Art der Texte jedoch bisher kaum bei der literaturwissenschaftlichen Forschung. Deshalb ist unser Seminar der Idee des Forschenden Lernens verpflichtet und weicht von üblichen Seminarformen ab. Wir werden dem Phänomen dieser Kolportageliteratur am Beispiel eines einzigartigen Korpus nachgehen: einer im Besitz der Landesbibliothek Oldenburg befindlichen Sammlung von ‚Groschenheftchen‘, die zum Beispiel Mord- und Kriminalgeschichten enthalten und die bisher kaum erforscht sind. Im ersten Drittel des Seminars erarbeiten wir uns gemeinsam Einblicke in die Medienliteraturgeschichte des 19. Jahrhunderts und in die Erzählmechanismen populärer und ‚trivialer‘ Literaturformen. Das zweite Drittel dient der eigenständigen Erarbeitung eines Textes aus dem genannten Korpus. Der letzte Teil des Seminars umfasst zwei Blocktermine: Am 25.06.2021 haben die Studierenden die Gelegenheit, an einer wissenschaftlichen Tagung zur Kolportageliteratur teilzunehmen, die voraussichtlich online stattfinden wird. Für den 02.07.2021 ist ein gemeinsamer Studientag geplant, an dem die Ergebnisse der Projekte des Forschenden Lernens präsentiert und diskutiert werden. Wünschenswert wäre auch eine Exkursion zur Landesbibliothek Oldenburg, um das Archivmaterial zu sichten und damit zu arbeiten. Aufgrund der Corona-Situation bleibt diese Möglichkeit jedoch unter Vorbehalt.

[Content-Note: Viele der in diesem Kurs behandelten Texte thematisieren Gewalt.]

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2021