Die Unterscheidung von sex (biologisches Geschlecht) und gender (sozial konstruiertes Geschlecht) eröffnet Perspektiven auf die (historische) Veränderlichkeit von Geschlechterrollen, ihre Beeinflussung durch Zuschreibungen und ihre Konstruktion in der sozialen Interaktion. Für eine Literaturwissenschaft kulturwissenschaftlicher Ausrichtung ist die Untersuchung der im Kommunikationsmedium ‚Literatur‘ umgesetzten Konstruktion von Geschlecht und damit zusammenhängend auch spezifischer Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ein zentrales Anliegen. Im Seminar wollen wir uns zum einen mit der Historisierbarkeit von gendertheoretischen Ordnungsmodellen und Analyseinstrumenten auseinandersetzen und ihre Anwendungsmöglichkeiten in Bezug auf mittelalterliche Texte ausloten (u.a. am Beispiel der Theorien von Butler, Laqueur). Zum anderen wollen wir uns mit historischen Entwürfen geschlechtlicher Identität und Heteronormativität nicht nur in literarischen, sondern auch in medizinischen und theologischen Diskursen auseinandersetzen, um eine Grundlage für die gemeinsame Textarbeit zu schaffen. Im Bereich der Geschlechterdiskurse sollen (alternative) Konstruktionen von ‚Weiblichkeiten‘/ ‚Männlichkeiten‘, damit verbundene spezifische Kommunikationsformen, Prozesse der Identitätsformation und die Darstellung von geschlechtlicher Körperlichkeit in Text und Bild in den Blick genommen werden. Diesen Schwerpunkten werden mittelalterliche Texte verschiedener Gattungen (und damit aus verschiedenen Gebrauchszusammenhängen) zugeordnet, um die Vielseitigkeit und das Potential mediävistischer gendertheoretischer Lektüren aufzuzeigen.

 

Das Seminar wird durch einen Learnweb-Kurs begleitet.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21