„(…) von nirgends wurde eine solche Pest, ein solches Hinsterben der Menschen berichtet. Nicht nur die Ärzte waren mit ihrer Behandlung zunächst machtlos gegen die unbekannte Krankheit, ja, da sie am meisten damit zu tun hatten, starben sie auch am ehesten selbst, (…).“ Diese eindringlichen und in Teilen so aktuell anmutenden Worte finden sich zu Beginn der berühmten Pestbeschreibung im zweiten Buch des Thukydides. Die Passage stellt bei weitem nicht das einzige literarische Zeugnis zu einer antiken Seuche (griech. loimos, lat. lues) dar: So hat auch Lukrez ganz am Ende seines Lehrgedichts De rerum natura der Pest von Athen ein literarisches Denkmal gesetzt, so beschreiben Galen, Herodian, Cassius Dio, Aelius Aristides und andere Autoren die Antoninische Pest (ca. 165-180 n. Chr.), der Kirchenvater Cyprian die später nach ihm benannte Cyprianische Pest (ca. 250-271 n. Chr.) und Schriftsteller wie Prokop, Euagrias und Johannes Malalas die im 6. Jahrhundert einsetzende Justinianische Pest.


Neben diesen literarischen Zeugnissen wollen wir uns den antiken Pandemien in der Übung aber auch von den archäologischen, papyrologischen und insbesondere den epigraphischen Zeugnissen (z. B. CIL III 5567, CIL XI 1118, SGO 12/62/01) aus nähern: Wie wurden Epi- und Pandemien von den Zeitgenossen wahrgenommen, welche Ursachen wurden ihnen zugeschrieben und wie versuchte man sich zu schützen? Zugleich soll nach den gesellschaftlichen Folgen und kaiserlichen Reaktionen auf die Krisen gefragt und aktuelle Ansätze der Forschung (Kyle Harper; Piers D. Mitchell) diskutiert werden.


Wie Pandemien sind natürlich auch Naturkatastrophen kein rein modernes Phänomen und in den antiken Quellen vielfach präsent: Ob die Zerstörung Helikes im Jahre 373 v. Chr. durch einen antiken Zunami, der Untergang von Pompeji und Herculaneum durch den Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr., das Erdbeben vor Kreta von 365 n. Chr., das Hochwasser bei Helenopolis im 6. Jahrhundert n. Chr. oder das Erdbeben in Antiochia aus dem Jahre 526 n. Chr., alle diese Ereignisse haben zahlreiche Spuren in den antiken Zeugnissen hinterlassen. Die Wahrnehmung dieser Katastrophen durch die Zeitgenossen, aber auch ihre gesellschaftlichen und politischen Folgen sollen in einem zweiten Teil der Übung im Mittelpunkt stehen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21