Die universalistische Kultur der Moderne versprach einst Gleichheit, Freiheit und den wohlstandverbürgen-den Fortschritt. Antikoloniale Bewegungen hielten ihr einen Spiegel vor, auf dem nicht bloß die Einlösung der Versprechen der Moderne, sondern auch Kolonialismus, Rassismus und Ausbeutung zu sehen waren. Postkoloniale Ansätze knüpfen an dieses Erbe des Antikolonialismus an, wollen ihn aber radikalisieren, in-dem sie auf die Effekte fokussieren, die, so nach diesen Ansätzen, auch nach der Unabhängigkeit ehemali-ger Kolonien nicht verschwunden sind. Inzwischen versammelt sich eine Reihe von heterogenen Ansätzen unter dem Label 'postkolonial', die sich nicht selten und negativ am 'Westen' als ihr Anderes orientieren. Es stellt sich die Frage, ob die produktive Spannung, die der Auseinandersetzung der Klassiker der postkolo-nialen Kritik mit der Moderne noch inhärent war, in den neueren Ansätzen partiell einem eher moralisieren-den Ton zu weichen drohen. Wie wird im postkolonialen Denken, das die westlichen Imaginationen des 'Orients' dekonstruiert, seinerseits der 'Westen' imaginiert? In diesem Seminar werden wir uns primär mit den klassischen Ansätzen des Postkolonialismus beschäfti-gen, um die Grundzüge der postkolonialen Kritik an der Moderne herauszuarbeiten. Edward Saids Orienta-lismus-These steht hier genauso im Fokus wie die vielzitierte Frage von Gayatri Spivak, ob 'Subaltern can speak', aber auch Mimikry bzw. der Dritte-Raum von Homi Bhabha. Gerade diese Klassiker mit ihren inne-ren Spannungen eignen sich sehr gut, um die Verarbeitung der Erfahrungen zu studieren, die sich aus den verwickelten Beziehungen zwischen ehemaligen Kolonisatoren und Kolonisierten in einer sich globalisie-renden Welt ergibt, ohne sich in der Dichotomie Westen / Rest der Welt zu verlieren. Ziel des Seminars ist einen tiefen Einblick in verschiedene Ansätze der postkolonialen Kritik zu vermitteln. Dabei wird den Aporien, die sich aus der weltgeschichtlichen Verwicklungen ergeben, eine besondere Auf-merksamkeit gewidmet. Wir werden uns zugleich auch die Kritik an postkolonialen Ansätzen genau an-schauen. Das Seminar soll zugleich die Grundlage dafür bilden, Differenzen und Verwandlungen im dyna-mischen postkolonialen Feld nachzuvollziehen.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21