Die Bearbeitung von Fragestellungen rund um eine sogenannte „gesellschaftliche Mitte“ hat in den sozial-wissenschaftlichen aber auch in politischen und medienöffentlichen Debatten in den letzten Jahren einen vergleichsweise hohen Stellenwert eingenommen. So wird zum Beispiel ein (angebliches) Schrumpfen der Mitte beklagt, die Mitte wird als gespalten wahrgenommen, oder es wird eine generelle Erosion eines mittel-schichtstypischen Lebensstandarts thematisiert und problematisiert. In diesem Seminar wollen wir uns aus der Perspektive einer Sozialstrukturanalyse und in Auseinanderset-zung mit den Ergebnissen empirischer Forschungen intensiv mit verschiedenen Fragen rund um die MItte beschäftigen, auch um der in verschiedenen Feldern geführten Debatte um eine "gesellschaftliche Mitte" mündiger begegnen zu können. Unter welchen Bedingungen kann ein Konzept einer "Mitte" überhaupt als Ordnungskategorie in Anschlag gebracht werden und welche Binnendifferenzierungen in der "Mitte" spielen eine Rolle? Welche Entwicklungen einer Nachkriegsgesellschaft (z.B. die Herausbildung von Migrationsgesellschaften, eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen oder das Infragestellen von heteronormativen Normalitätskon-struktionen) sind relevant, um nicht nur mittelschichtsspezifische Abgrenzungs- Ausgrenzungs- und Selbstzuschreibungspraktiken einschätzen zu können? Aber auch: Wer spricht da? Welche Funktion kann die Thematisierung einer mittelschichtsspezifischen Problemlage letztlich für die Statusreproduktion der Mittelschichtsangehörigen selbst? Und was fällt dabei unter den Tisch?

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21