„Weltgesellschaftstheorien teilen die Vorstellung, dass im Laufe der historischen Entwicklung ein umfassender globaler Zusammenhang entstanden ist. [Dieser] Zusammenhang [bildet] eine eigenständige Form der Sozialorganisation” (Jens Greve und Bettina Heintz 2005). Zuletzt ist insbesondere die reorganisierende Kraft von Weltereignissen unter dem Gesichtspunkt der Welt-haftigkeit des Geschehens (Stichweh 2009) eindrucksvoll anhand der COVID-19-Pandemie deutlich gewor-den. An der Bearbeitung dieses Weltgeschehens sind, so könnte man neo-systemtheortisch formulieren, unterschiedliche Funktionszusammenhänge beteiligt: Das weltpolitische System, forschungsbasierte wahr-heitsfähige Kommunikation der Wissenschaft und nicht zuletzt ein weltweites Gesundheitssystem und des-sen Verteilungsmöglichkeiten (Stichweh 2020). Als Weltereignis ist insbesondere die Corona-Pandemie al-lerdings bemerkenswert, weil sie zeigt, dass effektive Interventionen scheinbar nahezu jede einzelne Person als "Gesundheitsakteur" erreicht und in diesem Sinn inkludiert (ebd.). Kann man also sagen, dass es in den Funktionssystemen "eine Tendenz zur Vollinklusion, d.h. der potentiell gegebenen Inklusion aller Men-schen, die überhaupt leben [gibt]? Heißt dies, dass es überhaupt keine Exklusion mehr gibt?" (ebd.). Das Seminar will zunächst klassische Theorien und Konzepte der Weltgesellschaft insbesondere aus Sicht der soziologischen Systemtheorie (Luhmann, Stichweh), des Neoinsitutionalismus (Meyer, Scott) und der Netzwerktheorien (Castells, Watts) behandeln und - unter empirisch aktuellem Bezug - ihre gemeinsamen Annahmen und die Unterschiede bezüglich der Frage nach dem Übersetzungsverhältnis von Funktionssys-temen und Personen herausarbeiten. Grundlagentheoretisch soll das Seminar zeigen, inwiefern Emergenztheorien und geeignete Brückentermini auf Dauer unverzichtbar werden, wenn es in Weltgesellschaftstheorien um die systematisch entscheidende Verbindung von Makro- und Mikroperspektiven geht.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21