Gustave Flaubert feiert 2021 seinen 200jährigen Geburtstag. Eine Reihe von Fest- und Gedenkveranstaltungen werden ihn in der ganzen Welt ehren. Sein Romanwerk gehört zum Kanon der französischen Literatur, kaum ein anderer Romancier des 19. Jahrhunderts hat wie Flaubert mit derart großem Scharfblick, mit unbestechlicher Beobachtungsgabe und in sprachmächtiger Prosa die zeitgenössische Welt sowie den Menschen im Allgemeinen betrachtet, analysiert und in fiktionaler Form dargestellt. Sein kritischer und multi­perspek­tivischer Blick auf Welt ist auch für die heutigen Leser erkenntnisreich.

Der 1869 von Gustave Flaubert publizierte „roman parisien“, die Éducation sentimentale. Histoire d’un jeune homme, gehört zu den berühmten Texten des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine grundlegende Überarbeitung einer unpubliziert gebliebenen ersten Fassung (1845) aus Flauberts Jugendzeit, in deren Zentrum – wie auch im späteren Roman – die Frage nach der Existenz des Künstlers in der bürgerlichen Welt steht. Im Oktober 1864 schildert der Romancier seiner Leserin Mlle Leroyer de Chantepie sein Projekt in wenigen markanten Zügen: „Je veux faire l'histoire morale des hommes de ma génération; « sentimentale » serait plus vrai. C'est un livre d'amour, de passion ; mais de passion telle qu'elle peut exister maintenant, c'est-à-dire inactive.“ Die unerfüllt bleibende Liebe zwischen Frédéric Moreau und Marie Arnoux sowie die Erziehung der Gefühle des männlichen Protagonisten situieren sich im städtischen Milieu des aufsteigenden Bürgertums, der 1848er Revolution und auch des beginnenden Feminismus. Flauberts Stil erreicht eine neue Höhe: Der Romancier bildet die zeitlich und perspektivisch jeweils eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit der Protagonisten nach. Lücken und Fehler in der Abspeicherung von Welt erscheinen auf täuschende und irritierende Weise in der erzählten Welt.

Das Ziel des Seminars liegt darin, die Bedeutung des Romanciers Flaubert kennenzulernen. Dazu gehören der Einblick in die historische Situation des Bürgertums im 19. Jahrhundert, das Verstehen der besonderen narrativen Verfahren Flauberts sowie der diskursanalytischen Funktion von Literatur.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21