Europa ist mit rund 250 Mio. Sprechern slawischer Sprachen zu über einem Drittel „slawisch“. Was bedeutet das für das Verständnis europäischer Kultur und Geschichte? Verfügt der slawischsprachige Bevölkerungsteil Europas über ein besonderes „slawisches“ Bewusstsein, eine spezifische „slawische“ Kultur und Geschichte? Ausgehend von dieser Frage soll die Vorlesung die Geschichte der „Slawen“ im Mittelalter in einer doppelten Perspektive vermitteln. Zum einen wird es um die realen historischen Strukturen gehen, die sich hinter „den Slawen“ entdecken lassen – von den „frühslawischen“ Bevölkerungsgruppen und ihren ersten Herrschaftsbildungen im 7. bis 9. Jahrhundert, über die slawischsprachigen Reiche und nationes des 10. bis 12. Jahrhunderts bis zu den spätmittelalterlichen Gesellschaften des 13. bis frühen 15. Jahrhunderts. Zum anderen werden die byzantinischen, lateinischen und arabischen Fremd- und „slawischen“ Selbstbilder untersucht, mit deren Hilfe die „Slawen“ seit dem 6. Jahrhundert immer wieder als ein kulturelles Konstrukt entworfen bzw. „erfunden“ worden sind. Dabei soll auch gezeigt werden, wie diese Bilder schon im Mittelalter in verschiedenen Kontexten und zu unterschiedlichen Zwecken geschichtspolitisch instrumentalisiert worden sind.
- Lehrende/r: Eduard Mühle