Im Jahr 1961 erscheint Ingeborg Bachmanns Erzählband Das dreißigste Jahr, ein Jahr zuvor ist bereits Hannah Arendts wohl wichtigstes Buch Vita activa oder vom tätigen Leben auf Deutsch erschienen. In beiden Werken geht es immer wieder um den Begriff der „Welt”. Bei Arendt zentral, bei Bachmann allem Anschein nach beiläufig, z.B. in den Erzählungen „Das dreißigste Jahr” oder „Alles”. Dabei fällt zugleich auf, dass Arendt wie Bachmann sich intensiv mit der Philosophie Martin Heideggers auseinandergesetzt haben – Bachmann verfasste 1949 ihre Dissertation über die „Kritische Aufnahme der Existenzialphilosophie Martin Heideggers”. In Heideggers Sein und Zeit (1927) wird das Sein als In-der-Welt-Sein vorgestellt.

Was es mit diesem Welt-Diskurs in Philosophie und Literatur auf sich hat, wie er sich zur Sprachproblematik (bei Bachmann vermittelt durch Wittgenstein), zum Utopie-Begriff (wichtig hier: Bachmanns Musil-Rezeption) und zu anderen philosophischen Einflüssen verhält; wird im Seminar verhandelt werden. Dabei werden weitere Kontexte wie die Auseinandersetzung mit der Nachkriegsgesellschaft Österreichs („Jugend in einer österreichischen Stadt”, „Unter Mördern und Irren”) oder auch Genderaspekte („Ein Schritt nach Gomorrha”, „Undine geht”) ebenfalls Beachtung finden. Und natürlich wird es darum gehen, die jeweiligen Erzählverfahren nicht aus dem Blick zu verlieren, die immer wieder auch auf die Lyrik Bachmanns verweisen.

Literatur: Ingeborg Bachmann: Das dreißigste Jahr. Erzählungen. 5. Aufl. München 2010 (zur Ansch. empfohlen). Bachmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Monika Albrecht u. Dirk Göttsche. 2. Aufl. Stuttgart 2020 (online-Zugriff über die ULB).

Weitere Literaturhinweise erfolgen zu Beginn des Semesters.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2020/21
ePortfolio: No