Dieses Seminar beschäftigt sich mit dem in Lateinamerika weitverbreiteten, in vielen Regionen sogar alltäglichen Phänomen der unkontrollierten Gewalt „von unten“, aus der Bevölkerung heraus. Die Untersuchung staatlicher Gewalt steht nicht bzw. nicht in erster Linie auf der Agenda. Angesichts einer scheinbaren Omnipräsenz von Gewalt in vielen Regionen und Gesellschaften Lateinamerikas gibt es Erklärungsansätze, die Lateinamerikanern eine besondere Affinität zur Gewalt unterstellen bzw. die eine endemische Gewaltkultur in bestimmten lateinamerikanischen Staaten unterstellen. Dies gilt insbesondere für Kolumbien. Aber auch für Peru und in jüngerer Zeit für Bolivien mit seinen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der letzten Jahre gibt es entsprechende Behauptungen, es handele sich um Gesellschaften mit einer besonderen „Gewaltkultur“. Solche Pauschalierungen sind jedoch nicht nur nicht zielführend, sie sind schlicht unzulässig. Im Seminar soll stattdessen nach den sozialen und politischen Ursachen von Gewalt geforscht werden.

Es soll aber keineswegs in Abrede gestellt werden, dass die zum Teil seit Jahrzehnten andauernde Gewalt in vielen Gesellschaften Lateinamerikas tiefe Spuren hinterlassen hat und sich Gewalt als kulturelles Phänomen in gewisser Weise verselbstständigt hat. Das gilt etwa für den Fall Kolumbiens, wo der seit den 1940er Jahren herrschende Bürgerkrieg mit entfesselter Gewalt, fürchterlichen Gewaltexzessen und Gräueltaten, das gesellschaftliche Leben schon mehr als einer Generation bestimmt.

Ziel des Seminars ist ein vertiefter Einblick der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in den schwierigen Gegenstand der Gewaltforschung. Neben den genannten und weiteren Beispielen von lateinamerikanischen Ländern, die von extremer Gewalt geplagt sind oder waren, werden auch verschiedene theoretische Erklärungsansätze behandelt werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2020