Hans Magnus Enzensberger war einer der ersten, die Grimmelshausens Courasche positiv als Anarchistin bewerteten. Während die Courasche einerseits als allegorische Gestalt der Acedia, als „Frau Welt” oder als Hexe gesehen und anagogisch mit der Hure von Babylon verglichen wird, zeichnet die in Gender-Kategorien denkende Literaturwissenschaft das Bild einer sich emanzipierenden Frau in misogyner Gesellschaft. So stehen aktuelle (!) moraltheologische Verurteilungen dieser Romanfigur neben Ansätzen, die von der ersten sich selbst thematisierenden starken Frau in der Geschichte der neueren deutschen Literatur sprechen. Wir werden Grimmelshausens Roman einer intensiven Lektüre unterziehen und ihn dabei in den Kontext seines simplicianischen 10-Bücher-Zyklus stellen, zudem einen Bogen schlagen zum „Rathstübl Plutonis”, in dem Grimmelshausen die Figur weitererzählt. So wird sich ein spannender Blick in die Literatur der frühen Neuzeit ergeben, der die Themen Religion, Gewalt, Geschlecht und Recht in den Mittelpunkt stellt. Der Roman muss selbstverständlich bekannt sein, damit wir sinnvoll arbeiten können (Textkenntnisklausur!).

Anzuschaffen ist: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Courasche / Springinsfeld / Wunderbarliches Vogelnest I–II / Rathstübel Plutonis. Text und Kommentar, herausgegeben von Dieter Breuer. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 2007. (Taschenbuchausgabe 18 €).

Buchvorschläge zur Einführung: Volker Meid: Grimmelshausen. Ditzingen: Reclam 2011. Dieter Breuer: Grimmelshausen-Handbuch. München: Fink 1999.

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