Im Rahmen dieses Seminars sollen anhand ausgewählter Textpassagen einige der argumentativen und argumentationsstrategischen Grundzüge des Projekts einer Wissenschaft der Logik von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) in gründlicher und textnaher Lektüre erschlossen werden.
Bei dem Projekt einer Wissenschaft der Logik, dessen Bearbeitung Hegel bis zu seinem Tod in immer neuen Anläufen vorangetrieben hat, handelt es sich um ein Vorhaben das bereits von den Zeitgenossen eine sehr gespaltene Rezeption erfahren hat. Von den einen gefeiert als das zentrale Grundlegungswerk des Philosophierens überhaupt, wurde es von anderen als unverständlich oder als ‚Rückfall‘ hinter die Einsichten der kantischen Kritik der klassischen Metaphysik ebenso verurteilt, wie es als abschreckendes Beispiel einer Anhäufung formal-logisch und sprachkritisch fraglicher Argumentationsgänge und Begriffsbildungen angesehen wurde. Die Arbeitsleistung, die Hegel in dieses Projekt investierte, schlug sich nicht nur in den drei Büchern der Wissenschaft der Logik in monographischer Form (1812-1816), die wiederum in zwei Bände, nämlich die objektive Logik mit den Teilen der sogenannten Seinslogik (1812) und der Lehre vom Wesen (1813) und die subjektive Logik mit dem Titel Lehre vom Begriff (1816) gegliedert war, nieder, sondern auch in der sog. ‚kleinen Logik‘ in den drei Auflagen der hegelschen Enzyklopädie der phil. Wissenschaften im Grundrisse (1817, 1827, 1830), an der Hegel ebenfalls stetig Veränderungen vornahm. Kurz vor seinem Tode konnte Hegel zudem eine zweite, stark erweiterte und passagenweise auch veränderte Fassung der Seinslogik unter dem Titel Die Lehre vom Sein (1832) fertig stellen.
Sowohl die konkreten philosophischen Ziele, wie auch die dabei entwickelten Methoden und Argumentationsverfahren Hegels sind nach wie vor umstritten und in der Forschung zur Wissenschaft der Logik gibt es (wenn überhaupt) nur wenige Minimalkonsense. Auch scheint ‚der‘ hermeneutische Schlüssel für das Projekt, so man es als sinnvoll erachtet einen solchen zu suchen oder bereitzustellen, noch nicht gefunden. Grob lässt sich jedoch festhalten, dass Hegels Projekt einer Wissenschaft der Logik als kritische Anknüpfung an die klassische Metaphysik, wie auch deren Kritik durch Kant und den nachkantischen Idealismus zu verorten ist. Es handelt sich bei der Wissenschaft der Logik um eine allgemeine Kategorientheorie in die metaphysische, wie ontologische und erkenntnistheoretische Fragestellungen ebenso eingehen, wie spezifische metaphilosophische Annahmen über das adäquate Verfahren im Philosophieren selbst. Zudem wird (in gewissem Sinne) ein ‚Letztbegründungsanspruch‘ mit dem Projekt erhoben, insofern als weder ein dogmatischer Begründungsabbruch, noch erste ‚evidente‘ Axiome oder Sätze, noch ein (schlechter) Begründungszirkel bei der Explikation der kategorialen Grundordnung von Welt, Subjektivität und Kultur vorliegen soll.
Im Seminar wollen wir versuchen uns diesem herausfordernden Werk mit hermeneutischem Wohlwollen und systematisch-argumentationsbezogenen Rekonstruktionsverfahren in genauer Lektüre zuzuwenden. Das Seminar setzt die Bereitschaft zur intensiven Textarbeit inner- wie außerhalb des Seminars voraus.
Die in Frage kommenden Textpassagen und ggf. herangezogene Sekundärliteratur wird zu Semesterbeginn im Seminarapparat bereitgestellt.
- Lehrende/r: Tim Rojek