Seit zwei Jahrzehnten erleben wir eine intensive digitale Mediatisierung von Alltag und Gesellschaft und ihre ebenso intensive wissenschaftliche Analyse. Seit Kurzem rückt nun in den Blick, dass vielfältige, hierzu gegenläufige Tendenzen existieren. Zu nennen sind beispielsweise Retrotrends zu Vinyl und Polaroid oder Medienauszeiten/ Medienfasten/ Digital Detox-Wochenenden. Möglicherweise lassen sich in einem weiteren Sinne auch Trends zu Natur und Gärtnern, zu mehr nachbarschaftlichem Kontakt, zu gemeinschaftlichen Kultur- und Medienevents als Tendenzen einer Gegenbewegung einordnen. Dabei soll mit dem Begriff „Gegenbewegung“ keineswegs auf ein Entweder-Oder abgehoben werden (also entweder vielfältige Nutzung digitaler Medien oder aber Medienfasten). Vielmehr ist von einem Nebeneinander beider Tendenzen in der Gesellschaft und auch im Medienalltag einzelner Menschen auszugehen.

Das Forschungsseminar zielt darauf, das Spannungsfeld von intensiver Mediatisierung einerseits und gegenläufigen Tendenzen andererseits zu erhellen. Im Zentrum stehen dabei die Nutzer*innen und ihr kommunikatives Handeln im Alltag, das mit qualitativen Methoden erforscht werden soll. Denkbar sind etwa Interviews, Gruppendiskussionen, Beobachtungen im Feld und Ethnografie, Diskursanalysen.

In der ersten Phase des Projektseminars soll eine Bestandsaufnahme aktueller Phänomene erfolgen, die als widerspenstige Antworten auf die digitale Mediatisierung gedeutet werden können. Dies wird begleitet von der Erarbeitung theoretischer Zugänge: De-Mediatisierung, Entnetzung bzw. Disconnection, Kommunikative Grenzziehung, Dynamik und Beharrung im Medienhandeln, Resonanzkonzept sowie Mediennostalgie beschreiben stichwortartig passende Theorieansätze. In der zweiten Phase soll sich das Seminar auf ein engeres Untersuchungsfeld verständigen, Forschungsfragen und Dimensionen erarbeiten sowie ggf. erste Erkundungen des Feldes vornehmen. Für die anschließende Konzeption des methodischen Settings wird das methodische Handwerkszeug systematisch vermittelt und eingeübt. Die empirische Haupterhebung wird voraussichtlich zu Beginn des zweiten Teils im Oktober stattfinden.

Leistungsanforderungen:
Regelmäßige Lektüre und Zwischenpräsentationen sowie als Prüfungsleistung aktive Mitarbeit an allen Schritten des Forschungsprozesses im Rahmen einer AG sowie (gemeinsamer) schriftlicher Forschungsbericht

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2020