Musikvideos im medienethnographischen Blickfeld

 

Seminarleiter: Dr. Markus Schleiter

 

In diesem Kurs werden wir aktuelle ethnographische Studien zu Konsum und Produktion von Musikvideos sowie theoretische Arbeiten aus der Medienethnologie besprechen. Das Ziel ist es, am Beispiel des Formats „Musikvideo” die vielfältigen Wechselbeziehungen von populären Medien und medialen Repräsentationen zu Alltagskultur und Öffentlichkeit aus der Perspektive medienethnologischer Theorien zu verstehen.

Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf zwei wesentlichen Medienentwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte: Erstens, wurden in den unzähligen Musik- und Filmindustrien des globalen Südens erfolgreich neue künstlerische und populäre Musikvideo-Formate geschaffen - entgegen der Annahme einer hegemonialen kulturellen Globalisierung des Westens. Diese beziehen sich teilweise auf „globale” Trends, wie Videoproduzenten des globalen Südens eigene audio-visuelle Erzählweisen und Stilmittel kreieren und gleichzeitig neue transnationale Mediennetzwerke unabhängig vom Westen aufbauen. Zweitens, mit dem Aufkommen der neuen Streaming-Plattformen, wie insbesondere YouTube, hat sich die Ästhetik von Musikvideos grundlegend geändert. In aktuellen Forschungen wird von „subversiven Formaten und unbändigen Medien” gesprochen. Dabei wird Bezug auf unkonventionelle Sounds und Farben sowie auf selbstreflexive Kommentare auf Videogenres und die Auflösung einer vorherigen Trennung von Konsumenten und Produzenten genommen.

Ethnographische Beispiele führen uns in die Filmstudios von Chennai in Indien, zu Kinos nach Lagos in Nigeria, aber auch zum Alltagsleben von aufstrebenden Sängerinnen und Sängern in Bihar in Indien. Ebenso werden wir Ethnographien zu Produktions- und Konsumpraktiken indigener Musikvideos lesen - z.B. von Bollywood-Songs und zu Heavy Metal in Madagaskar.

Wir werden uns dabei mit folgenden Fragen beschäftigen: Welche Rolle spielen Musikvideos für kulturelle Identitätsentwürfe in Bezug auf Jugendkultur, auf die „Straße” oder das „Viertel”, auf Ethnizität, Klassenzugehörigkeit oder weitere Phänomene? In welcher Form nutzen Menschen Musik, um sich als kosmopolitisch zu verorten oder an transnationalen sozialen Protesten teilzunehmen; und welche neuen sozialen Segregationen entstehen dadurch? Wie sind indigene Musikvideos in globale Trends eingebunden? Wie können wir die sozialen Welten von Musik- und Videoproduzenten als Kulturproduzenten verstehen; und in welcher Weise tragen diese Produzenten zur Transformation kultureller Welten bei?

Im Seminar werden wir in wöchentlichen Videotreffen ethnographische und theoretische Texte in Verbindung mit gemeinsam geschauten Musikvideos erörtern und einschätzen. Als Studierende tragen Sie zudem mit 15-minütigen Präsentationen, die individuell oder im Team erarbeitet werden, zum Seminar bei. In den Präsentationen ergänzen Sie die Inhalte des Seminars mit eigenen Themen, wie einer ethnographischen Analyse eines Musikvideos, ethnographischen Fallbeispielen zu Konsum oder Produktion von Musikvideos oder theoretischen Fragen der Medienethnologie.

Studienleistungen

- Intensive wöchentliche Textlektüre

- Drei vergleichende Essays zu den Kerntexten (je 2 Seiten)

- Inhaltliches Protokoll einer Sitzung (2 Seiten)

 

und eine der folgenden Wahlleistungen mit Vorbesprechung:

-  thematisches Referat (15 Minuten) oder

-  zwei Präsentationen eines Kommentars (5 Minuten)

-  Einführung (10min) und Moderation (10-15 Minuten) zu einer Musikvideovorführung

 

Fristen

Abgabe vergleichender Textessays: Dienstag vor der Sitzung 22:00 im Learnweb

Abgabe inhaltliches Protokoll: Dienstag nach der Sitzung 22:00

Vorbesprechung für Präsentationen und Kommentare: 3 Wochen vor der Sitzung in meiner Sprechstunde (dienstags 16:00-18:00 ohne Voranmeldung oder mit Termin nach Vereinbarung)

 

Melden Sie sich so früh als möglich,  am besten schon vor dem 7. April im Learnweb-Kurs an! Das Passwort erhalten Sie über E-Mail an mich: schleiter@uni-muenster.de. Eine erste gemeinsame Vorbereitungsprechstunde in Form einer Videokonferenz findet am Donnerstag 16.4.2020 14:00 ct statt. Weitere Informationen hierzu finden Sie im Learnweb-Kurs. Die regelmäßigen Video-Sitzungen beginnen ab Donnerstag 23.4.2020 14:00 ct.

 

Es gibt noch wenige freie Plätze und die Teilnehmerzahl ist aus technischen Gründen auf 30 beschränkt. Sollten Sie sich nicht über das Voranmeldeverfahren registriert haben, melden Sie sich bitte direkt bei mir verbindlich für das Seminar an: schleiter@uni-muenster.de.

 

 

Empfohlene Lektüre

 

Arnold, Gina; Daniel Cookney; Kirsty Fairclough and Michael Goddard (ed.) [2017] 2018. Music/Video: Histories, Aesthetics, Media. New York: Bloomsbury.

Chandra, Uday 2016. Primitive Accumulation and Primitive Subjects in Postcolonial India: Tracing the Myriad Real and Virtuous Lives of Mediatized Indigeneity Activism. Interventions; International Journal of Postcolonial Studies 19 (3): 322-337.

Ginsburg, Faye D.; Lila Abu-Lughod and Brian Larkin (ed.) 2002. Media Worlds: Anthropology on New Terrain. Berkeley: University of California Press.

Pandian, Anand 2015. Reel World: An Anthropology of Creation. Durham: Duke University Press.

Schulz, Dorothea E. 2001. Music Videos and the Effeminate Vices of Urban Culture in Mali. Africa: Journal of the International African Institute 71 (3): 345-372.

Vernallis, Gina 2013. Unruly Media: Youtube, Music Video, and the New Digital Cinema. Oxford: Oxford University Press.

Verne, Markus 2012. Die Grenzen des Kontextualismus: Madagassischer Heavy Metal, ''satanische'' Ästhetik und die ethnologische Erforschung populärer Musik. Zeitschrift für Ethnologie 137: 187-206.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2020