Der italienische Philosoph Giorgio Agamben gilt als einer der umstrittensten Philosophen der Gegenwart. Die Radikalität seiner Thesen über die Funktionsweisen des Staates und der Politik war für viele Interpret*innen zunächst abschreckend; im Zuge der politischen Entwicklungen der letzten Jahre finden seine Schriften allerdings erhöhte Resonanz.

In den vier Werken der Homo-sacer Reihe schließt Agamben an Foucaults Konzept der Biopolitik an und entwickelt darauf aufbauend eine ganz eigene Bestimmung der Rolle des Lebens in der souveränen Macht, die in einer radikalen Kritik staatlicher Souveränität mündet.

Während Foucault mit dem Begriff „Biopolitik“ eine spezifisch moderne Machttechnik der Disziplinierung und Regulierung des Lebens beschreibt, ist für Agamben die Produktion des Homo sacer die Grundlage aller politischen Souveränität (Thanatopolitik). Diese dem römischen Recht entlehnte Figur beschreibt den ausgestoßenen und zugleich heiligen Menschen, welcher auf seine nackte, physische Existenz zurückgeworfen wird. Er darf getötet, aber nicht geopfert werden. Der Ort der Produktion des nackten Lebens sind die Räume des Ausnahmezustands: von Auschwitz, Guantanamo und Abu Ghraib bis hin zu den Geflüchtetenlagern der EU – „wo Recht und Tat, Regel und Ausnahme, Leben und Tod ununterscheidbar werden“. Insofern Agamben den Ausnahmezustand als Ausdruck der Normalität betrachtet, ist für ihn das Lager das Paradigma der Moderne. 

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2020
ePortfolio: No