Teilnahmebedingung:

Wichtig! Dieses Seminar ist angesiedelt im Bereich einer medien- und filmwissenschaftlichen Arbeitspraxis. Bitte beachten Sie daher die folgenden Zulassungsvoraussetzungen:

(1)   Notwendige Bedingung, um für das Seminar zugelassen zu werden, ist die erfolgreiche Teilnahme an der Veranstaltung „Einführung in die Filmanalyse“, angeboten am Germanistischen Institut der WWU Münster (oder einer anderen Universität).

Alternativ ist es möglich, vor Semesterbeginn an einem filmwissenschaftlichen Tutorium teilzunehmen; melden Sie sich dafür bitte frühzeitig bei Frau Judith Kösters (jkoeste1@uni-muenster.de) an, die Ihnen auch nähere Informationen zu den Terminen geben kann.

(2)   Melden Sie sich bitte via E-Mail beim Lehrenden an und weisen die Teilnahme an der „Einführung in die Filmanalyse“ oder das filmwissenschaftliche Tutorium mittels Bescheinigung nach.

Sollte diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, ist eine Teilnahme leider nicht möglich.

 

Seminarbeschreibung:

Fremdheitsklassifizierungen können nach ethnischen, politischen, sozialen, geschlechtlichen, sexuellen, potentistischen, klassistischen, altersspezifischen, topologischen etc. Gesichtspunkten erstellt werden und operieren dabei in aller Regel in einem bipolaren Spannungsfeld. Gruppenspezifische Ausschlusskriterien, die nach bestimmten, im Grunde willkürlich wählbaren Prinzipien gebildet werden, erfahren eine Funktionalisierung zur Demarkation semantischer Felder, die ein Innen von einem Außen, Zugehörigkeit von Ausgeschiedenheit, Gutes von Schlechtem etc. und letztlich Eigenes von Fremdem separieren. Vom extrasystemischen Standpunkt wissenschaftlicher Beschreibung aus betrachtet wird „Fremdheit“ entsprechend als absolut relationaler Begriff zentral vom Kernmoment normativer Konstruktion bestimmt. Der Begriff der „Identität“, mit dem die semantische Selbstcharakterisierung bezeichnet wird, steht damit in interdependenter dialektischer Abhängigkeit zum Begriff der „Alterität“, mit dem die in Relation zur Selbstcharakterisierung gebildete Fremdcharakterisierung bezeichnet wird. Ist also beispielsweise der junge reiche Deutsche in einer sozialen Gruppe die verbindliche Norm, ist es in dieser Gruppe tendenziell als (implizite) Handlungsdirektive angelegt, dass zur Wahrung der Norm und zum Zweck der Selbststabilisierung alte, mittellose, Nicht-Deutsche ausgegrenzt werden – wobei von der betreffenden Gruppe selbst festgelegt wird, wann jemand „alt“ oder „mittellos“ und wer als „nicht deutsch“ definiert wird.

     Filme als modellbildende Zeichensysteme werden dazu genutzt, solche Identitäts- und Alteritätskonzepte zu konstruieren, zu affirmieren, aber auch zu konterkarieren, indem sie diegetische Wirklichkeiten entwerfen, die als konstruierte, eigens diskursorientierte Muster extratextueller Wirklichkeit dienen können.

   Ein Film muss dazu nicht unbedingt explizit als Instrument gezielter sozialpolitischer Propaganda fungieren, sondern er kann auch mehr oder minder quasi-dokumentarisch lediglich das Selbstverständnis einer bestimmten Kultur reproduzieren. In jedem Fall lassen sich aus der jeweiligen Raumkonzeption, der Figurengestaltung, der Figurenkonfiguration, der Handlungsführung, der Inszenierung und Perspektivierung, die ein Film verwendet, analytische Schlüsse ziehen auf das Werte- und Normensystem, das einem Film als argumentative Tendenz zugrunde liegt. Der Film präsentiert teils Werte- und Normensysteme einer bestehenden Gesellschaft affirmativ, teils etabliert er neue und übt sie als „normal“ ein.

     Ausgehend von kultursemiotischen Überlegungen zur Analyse und Modellierung von Identität und Alterität widmet sich das Seminar verschiedenen, im Verlauf der letzten 50 Jahre Filmgeschichte entstandenen Auseinandersetzungen mit dem Thema der „Fremdheit“ und berücksichtigt dabei eine große Bandbreite thematisch unterschiedlich gelagerter Filme.

     Das Seminar richtet sich in erster Linie an Studierende, die eine Studienleistung in Form einer Sitzungsgestaltung erbringen möchten.

 

Lektüreempfehlungen:

Hans Krah, Michael Titzmann (Hg.): Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäre Einführung. Dritte, stark erweiterte Auflage. Passau 2013.

Gräf, Dennis; Großmann, Stephanie; Klimczak, Peter; Krah, Hans; Wagner, Marietheres: Filmsemiotik: Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate. Marburg 2011.

Jurij Lotman: Die Struktur literarischer Texte. Übersetzt von Rolf-Dietrich Keil. München 1972.

Renner, Karl Nikolaus: Grenze und Ereignis. Weiterführende Überlegungen zum Ereigniskonzept von J. M. Lotman. S. 357-381. In: Frank, Gustav; Lukas, Wolfgang (Hrsg.): Norm. Grenze. Abweichung. Kultursemiotische Studien zu Literatur, Medien und Wirtschaft. Passau 2004.

Klaus Kanzog: Einführung in die Filmphilologie. München 1997.

Andreas Braidt: Film-Genus. Gender und Genre in der Filmwahrnehmung. Marburg 2008.

Vera Nünning, Ansgar Nünning (Hg.): ErzähItextanalyse und Gender Studies. Stuttgart, Weimar 2004.

Ulla Kriebernegg, Roberta Maierhofer, Hermine Penz (Hg.): Interkulturalität und Bildung. Wien, Berlin, 2012

Hanne Walberg: Film-Bildung im Zeichen des Fremden. Ein bildungstheoretischer Beitrag zur Filmpädagogik. Bielefeld 2011.

Hendrik Blumentrath, Julia Bodenburg, Boger Hillman, Martina Wagner-Egelhaaf: Transkulturalität. Türkisch-deutsche Konstellationen in Literatur und Film. Münster 2007.

 

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2020