Seminarbeschreibung:

Das Hörspiel ist primär eine Zeitkunstform: Es entfaltet seinen Bedeutungsgehalt auf akustischem Wege in und mit der Zeit. Anders als beispielsweise ein Gemälde entzieht es sich damit tendenziell der statisch-kontemplativen Beobachtung durch das analytische Subjekt und erfordert einen spezifischen Zugang für seine wissenschaftliche Erschließung und Interpretation, der zumeist in der Überführung des akustischen, zeitlich flüchtigen Informationsgehalts in einen spatialen, graphisch fixierten besteht. Unterschiedliche Verfahren einer solchen wissenschaftlichen Annäherung an das Hörspiel haben sich im Laufe der Jahre etabliert. Indem diese Methoden jedoch ihren Analysegegenstand in ein anderes, in der Regel nicht-akustisches System übersetzen und sich dabei in jedem Fall auf bestimmte Aspekte des Ausgangsmaterials konzentrieren (müssen), erstellen sie alle abstraktive Modelle ihres Forschungsobjektes, die dieses immer nur näherungsweise und nur partiell erfassen können. Eine Kombination verschiedener Untersuchungsverfahren erlaubt so zumindest eine tiefergehende und multiperspektivische Erfassung des jeweiligen Hörspiels.

     Das Seminar vermittelt zunächst eine Kenntnis der grundlegenden medienkonstitutiven Bestandteile des Hörspiels, ihrer Funktionsweisen und Einsatzmöglichkeiten, ein Verständnis für die hörspielspezifischen Analysekategorien sowie ein Bewusstsein für den Aufbau, die Struktur, die Tektonik und die Funktionsweise von Hörspielen aus dem narrativen und akustisch-künstlerischen Bereich. Im Anschluss daran werden verschiedene Möglichkeiten der wissenschaftlichen Rekonstruktion von Hörspielen in Form von Verschriftlichung, Visualisierung und Schematisierung vor- und zur Diskussion gestellt. Diese werden von den Seminarteilnehmer_innen dann auf konkrete Hörspielbeispiele angewandt, womit nicht nur eigene Erfahrungen mit der Hörspielanalyse gesammelt, sondern auch die Potentiale und Grenzen derselben erfahren werden sollen. Auf diesem Wege vermittelt das Seminar einen Einblick in die verschiedenen Ausprägungsformen des Hörspiels und stattet die Seminarteilnehmer_innen mit hörspieltheoretischen und -analytischen Kompetenzen aus. Ziel des Seminares ist es dabei auch, das Gehör auf die verschiedenen, besonderen Kommunikationsebenen eines Hörspiels hin zu schulen, Fertigkeiten in der Beschreibung und Interpretation dieser Ebenen zu vermitteln sowie einen wissenschaftlich-reflektierten Umgang mit Audiotexten zu entwickeln.

     Das Seminar richtet sich in erster Linie an Studierende, die eine Studienleistung in Form einer Sitzungsgestaltung erbringen möchten.

 

 

Literaturempfehlungen:

Götz Schmedes: Medientext Hörspiel. Ansätze einer Hörspielsemiotik am Beispiel der Radioarbeiten von Alfred Behrens. Münster 2002.

Armin P. Frank: Das Hörspiel. Vergleichende Beschreibung und Analyse einer neuen Kunstform durchgeführt an amerikanischen, deutschen, englischen und französischen Texten. Heidelberg 1963.

Elke Huwiler: Erzähl-Ströme im Hörspiel. Zur Narratologie der elektroakustischen Kunst. Paderborn 2005.

Antje Vowinckel: Collagen im Hörspiel. Die Entwicklung einer radiophonen Kunst. Würzburg 1995.

Hans Emons: Montage – Collage – Musik. Leipzig 2009.

Martin Maurach: Das experimentelle Hörspiel. Eine gestalttheoretische Analyse. Wiesbaden 1995.

Dieter K. Müller, Esther Raff (Hg.): Praxiswissen Radio. Wie Radio gemacht wird – und wie Radiowerbung anmacht. Wiesbaden 2007.

Alice Elstner: Der Einsatz der Stimme im Hörspiel. Theorie und Praxis. Saarbrücken 2010.

Rainer Hannes: Erzählen und Erzähler im Hörspiel. Ein linguistischer Beschreibungsansatz. Marburg 1990.

Steve Ahern: Making Radio. A Practical Guide to Working in Radio. North Ryde 2000.

Vito Pinto: Stimmen auf der Spur. Zur technischen Realisierung der Stimme in Theater, Hörspiel und Film. Bielefeld 2012.

 

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: ST 2020