Die berühmteste Liebesgeschichte des Mittelalters, die Geschichte von Tristan und Isolde, ist im Hoch- und Spätmittelalter von verschiedenen europäischen Autoren in Frankreich, England, Deutschland, Skandinavien und Italien erzählt worden. Während die fragmentarische Fassung Gottfrieds von Straßburg (›Tristan‹, um 1210) zu den bekanntesten deutschen Romanen des Mittelalters gehört, ist der zwei bis vier Jahrzehnte früher entstandene ›Tristrant‹ Eilharts von Oberg (1170/1190) heute relativ unbekannt. Dabei stellt er die älteste deutsche und zugleich einzig vollständige Versfassung des Tristanromans dar und bildet direkt oder indirekt die Vorlage für zahlreiche spätere Werke, wie zum Beispiel den Prosaroman ›Tristrant und Isalde‹ eines anonymen Bearbeiters, den Anton Sorg 1484 erstmals in Augsburg herausgibt und der sich zu einem großen Bucherfolg entwickeln wird. Da die handschriftliche Überlieferung des Gottfriedschen Romans im 15. Jh. abbricht, ist der Tristanstoff im 16., 17. und 18. Jh. also nur in der Version Eilharts bekannt. Inwiefern sich der ganz andere Sitz im Leben der beiden Romane – hier der hochmittelalterliche Versroman für ein adliges Publikum, dort der frühneuzeitliche Prosaroman für ein primär städtisches Publikum – auf die Texte auswirkt, wird eine der Leitfragen des Seminars sein.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2020