Als der polnische Botschafter im vergangenen Jahr die deutsche Polenpolitik der letzten 100 Jahre v. a. als "Katastrophe" bezeichnete, wurde ihm (nicht nur) von offizieller deutscher Seite vehement widersprochen und stattdessen der Erfolg der deutsch-polnischen Verständigung betont. Anknüpfend an die unterschiedlichen Bewertungen in unserer Gegenwart untersucht die Übung die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen in historischer Perspektive. Dabei werden schwerpunktmäßig der Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den Umbrüchen 1989/90 und damit v. a. das Verhältnis zwischen der Volksrepublik Polen und den beiden deutschen Staaten betrachtet.
Zwar waren die DDR und Polen als staatssozialistische Regime des sog. Ostblocks gewissermaßen zur Freundschaft verpflichtet. Dennoch gestaltete sich ihr Verhältnis nicht zwangsläufig konfliktfrei. Zwischen der BRD und der Volksrepublik dominierten nach 1945 vor dem Hintergrund der Vergangenheit zunächst unbewältigte Konflikte und ungeklärte Fragen wie die polnische Westgrenze. Die Neue Ostpolitik Willy Brandts markierte hier einen Aufbruch für einen fortschreitenden politischen Verständigungsprozess.
Neben solchen Zäsuren und Entwicklungen auf staatlicher Ebene werden in der Übung auch die Rolle nichtstaatlicher Akteure und ihr Einfluss auf die deutsch-polnischen Beziehungen in den Blick genommen. Hier werden anhand von unterschiedlichen Quellengattungen beispielhaft u. a. kirchliche Initiativen, die Positionen gesellschaftlicher Organisationen wie z. B. der westdeutschen Vertriebenenverbände, Austausch- und Abgrenzungsbemühungen zwischen oppositionellen Gruppen in Ostdeutschland und Polen sowie kulturelle und wissenschaftliche Kontakte berücksichtigt.
Im Rahmen der Übung ist eine Exkursion zum Archiv der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen geplant.
- Lehrende/r: Anne Sophie Kluger