Muss Strafe sein? Wozu dient Strafe? Wie lässt sie sich begründen respektive rechtfertigen? Gibt es Unterschiede je nachdem, ob diese Frage aus moralischer oder rechtlicher Perspektive gestellt wird? Gewiss ist die Herrschaft von Menschen über Menschen stets begründungsbedürftig; doch für eine jede Theorie staatlicher Autorität stellt die Frage der Strafgewalt einen besonders heiklen, rechtfertigungsbedürftigen Punkt dar, schließlich ist – neben der Einziehung zum Militärdienst – eine staatlich verhängte Strafe, zumal eine Freiheitsstrafe oder gar die Todesstrafe, der wohl invasivste Eingriff in das Leben eines Einzelnen, der sich in modernen, freiheitlich-rechtsstaatlich organisierten Staaten vorstellen lässt. Zur Rechtfertigung staatlichen Strafens sind in Philosophie und Rechtswissenschaft ganz unterschiedliche Theorien entwickelt worden, die sich in normativethischer Hinsicht ganz grob in deontologische und konsequentialistische, in retributive und präventive, möglicherweise auch in absolute und relative Ansätze unterscheiden lassen. Vor allem in jüngerer Zeit sind weitere, z.B. expressive oder kommunikative Ansätze hinzugekommen. Wie sich die wichtigsten in der Literatur vertretenen Straftheorien systematisch zueinander verhalten, ob sie deskriptiv oder präskriptiv zu verstehen sind, ob sie auf der Ebene staatlicher Verbotsnormen, etwa strafrechtlicher Tatbestände, oder erst im Rahmen der Strafzumessung relevant werden, wird Gegenstand dieses Seminars sein, das möglichst differenziert nach historischen und systematischen Antworten auf die Frage „Wozu Strafe?” sucht. Auch rechtsnihilistischen, abolitionistischen und kriminologisch-erklärenden Ansätzen sowie literarischen Annäherungen an das Strafen wird dabei Raum gegeben. Zu den behandelten Werken gehören u.a. Klassiker wie Beccaria, Bentham, Feuerbach, Kant und Hegel, aber auch Arbeiten zeitgenössischer Autoren wie Anthony Duff und Michael Moore. Nach Möglichkeit wird zudem ein Krimiautor Gast einer literarische Soirée sein.

Organisatorisches:

Das Seminar ist als interdisziplinärer Lektürekurs im Rahmen eines Blockseminars organisiert. Es wird von Montag, 28.10.2019, bis einschließlich Donnerstag, 31.10.2019, im Landhaus der WWU in Rothenberge (Wettringen, ca. 40 km nordwestlich von Münster; https://www.uni-muenster.de/Foerderer/rothenberge.html) stattfinden. Die Dozenten, Dr. Thomas Grosse-Wilde vom Strafrechtlichen Institut der Universität Bonn und Dr. Katja Stoppenbrink vom Philosophischen Seminar der WWU), verbinden rechtswissenschaftliche und philosophische Kompetenzen und hoffen auf spannende Lektüren und lebhafte Diskussionen. Da die Anzahl der Plätze sehr begrenzt ist (neben einigen vorgemerkten Jurastudierenden max. 8 weitere Teilnehmer der WWU, vorzugsweise aus einem Masterprogramm der Philosophie) ist eine verbindliche Anmeldung per Mail bis zum 8. September 2019 erforderlich. Das Seminar ist „pre-read”, d.h. es wird erwartet, dass die Seminartexte bei Seminarbeginn bekannt sind. Nach Anmeldung erhalten alle Teilnehmenden Scans der Texte. Bei Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen mit dem Semesterticket keine Fahrtkosten (ggf. sind auch Fahrgemeinschaften mit dem Pkw möglich); die Kosten der Unterkunft werden getragen. Die Teilnehmenden übernehmen lediglich die tägliche Vollverpflegungspauschale (insges. rund 80 Euro). Ein Vorbereitungstreffen findet am Dienstag, 08.10.2019, um 18h in Raum 315 (Konferenzraum) des Philosophischen Seminars statt.

Weitere Informationen und Anmeldung per Mail bei: Dr. Katja Stoppenbrink, katja.stoppenbrink@uni-muenster.de

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2019/20