Wie und wann sich Judentum und Christentum getrennt haben, wird in der neueren Forschung kontrovers diskutiert. Während einige Forscher mit älteren Ansätzen von einer frühen Trennung, etwa schon in der paulinischen Mission, ausgehen, nehmen andere (wie Judith Lieu oder Daniel Boyarin) an, dass sich Judentum und Christentum noch längere Zeit in einem Kontinuum befunden haben, ohne klare Grenzen; nach Boyarin sei die Abgrenzung erst im 4. Jh. erfolgt, als das „Judentum“ im Gegenüber zum „Christentum“ in den heresiologischen Diskursen proto-orthodoxer Christen und rabbinischer Juden entstand. Wieder andere nehmen eine Serie von verschiedenen Trennungen zu unterschiedlichen Zeiten und Orten an. Überlegungen zu Ausbreitung und Einfluss des frühen rabbinischen Judentums sowie zur Wahrnehmung von Juden und Christen durch den römischen Staat spielen hier eine wichtige Rolle.

 

In diesem Hauptseminar lernen wir diese Ansätze kennen, beschäftigen uns kritisch mit ihnen und spielen verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an den antiken Befunden durch. Ziel ist ein methodisch geschärftes und am Quellenbefund verantwortetes Verständnis für die Frühgeschichte des entstehenden Christentums und seine Beziehung zum sich entwickelnden Judentum.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2019/20