Seit den frühen Jahren der Disziplin spielen qualitative Fallstudien in der politikwissenschaftlichen Forschung eine bedeutende Rolle. Während viele der wichtigsten Erklärungsansätze aus dem Studium eines oder weniger Fälle entwickelt wurden, kann in einigen Fällen ein einziger Fall ausreichen um ein ganzes Theoriegebäude ins Wanken zu bringen. Dennoch fristete die politikwissenschaftliche Fallstudienforschung lange ein Dasein im Schatten der quantitativen, auf große Fallzahlen ausgerichteten Methoden. Ihr eilte der Ruf voraus, wenig systematisch zu sein und sich überwiegend für explorative Studien zu Beginn größerer Forschungsprogramme zu eignen. Diese Sichtweise hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. In zahlreichen heutigen Standardwerken wurden eine eigene Methodologie entwickelt und Qualitätskriterien für gute fallorientierte Forschung formuliert. Aufgrund der geringen Fallzahl ermöglicht die (vergleichende) Fallstudienforschung sowohl ein tiefgehendes Verständnis fallübergreifender kausaler Prozesse als auch die Berücksichtigung des individuellen Kontexts eines jeden Falles. Hierin liegt ihre große Stärke gegenüber quantitativen Methoden mit großer Fallzahl.

Für Studierende ist die politikwissenschaftliche Fallstudienforschung besonders relevant, da sie sich hervorragend für eigene Studien- und Abschlussarbeiten eignet. Das Seminar bietet zu diesem Zweck eine praxisorientierte Einführung in relevante Arbeitstechniken, damit diese anschließend in eigenen Arbeiten angewandt werden können. Anhand selbstgewählter Forschungsfragen soll im Verlauf des Seminars gemeinsam erarbeitet werden, wie ein exemplarisches Forschungsdesign zur Beantwortung dieser Fragen aussehen kann. Nach einer Einführung in typische Fragestellungen und die theoretischen Grundlagen der Fallstudienforschung liegt der Schwerpunkt auf der Fallauswahl und dem Einüben verschiedener Arbeitstechniken wie der Prozessanalyse („process-tracing“) und der Methode des strukturierten, fokussierten Vergleichs. Am Ende des Semesters werden die in Gruppen erarbeiteten Entwürfe eigener Forschungsdesigns in Form von Postern dem Plenum präsentiert. Da die einzelnen Sitzungen aufeinander aufbauen und vorherige Diskussionen aufgreifen, ist aktive und regelmäßige Teilnahme notwendig, um dem Kurs folgen zu können.

 

Anforderungen:

Als Studienleistung muss neben der Bereitschaft, sich ausgiebig mit der Seminarliteratur auseinanderzusetzen in Gruppenarbeit ein exemplarisches Forschungsdesign entwickelt und als Poster vorgestellt werden. Eine Prüfungsleistung erfordert zusätzlich die schriftliche Ausarbeitung des Forschungsdesigns in Form einer Hausarbeit (4.500 Wörter).

 

Basisliteratur:

Blatter, Joachim; Haverland, Markus (Hg.) (2014): Designing case studies. Explanatory approaches in small-N research. New York, NY: Palgrave Macmillan.

George, Alexander L.; Bennett, Andrew (2005): Case studies and theory development in the social sciences. Cambridge: The MIT Press.

Gerring, John (2007): Case study research. Principles and practices. Cambridge: Cambridge University Press.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2019/20