Seit einem halben Jahrzehnt zählt das World Economic Forum „massive digitale Fehlinformationen“ zu den größten globalen Risiken (World Economic Forum, 2018). Der Grund dafür ist einfach: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sich jede Gesellschaft auf grundlegender Ebene einig ist, wie die Welt konstituiert ist; was als real angesehen werden kann, was Tatsache ist und was Fiktion ist. Ein Teilbereich dieser digitalen Fehlinformation sind Verschwörungstheorien (VTs). Studien zeigen, dass VTs als Instrument der (modernen) Propaganda eingesetzt werden (Broniatowski et al., 2018) und dass sie in fast allen sozialen Subsystemen (z.B. Politik, Gesundheit, Wissenschaft und Journalismus) vorzufinden sind. VTs haben in den 1990er Jahren einen Aufschwung erlebt, nicht zuletzt befeuert durch die digitale Revolution und die Popularisierung des Internets. Heute finden sich im Netz zu quasi jedem Thema verschwörungstheoretische Foreneinträge und Videos.

Um dieser großen und dispersen Menge an Daten Herr zu werden, bieten sich neue Methoden der computergestützten Analyse von ‚big data‘ an. Die (teil-) automatisierte Inhaltsanalyse eröffnet dabei verschiedene Möglichkeiten, in großen Datenmengen relevante Inhalte zu identifizieren und Muster zu erkennen, die bei klassischen Verfahren verborgen bleiben würden. Teilweise ist das Vorgehen induktiv-entdeckend, d.h. es müssen nicht zwingend (Themen-)Kategorien vorgegeben werden. Anhand des konkreten Beispiels „Verschwörungstheorien“ soll im Seminar jedoch aufgezeigt werden, wie auch – und gerade – bei solchen neuen Methoden theoretische Überlegungen und methodisches Vorgehen eng verknüpft werden müssen.

Das Seminar soll den Teilnehmenden daher zum einen (1) einen Einblick in die Literatur zum Thema Verschwörungstheorien bieten, sowohl mit Blick auf die theoretischen als auch auf empirische Grundlagen. Zum anderen (2) sollen im Seminar von den Teilnehmenden erarbeitete Fragestellungen mit Hilfe von verschiedenen inhaltsanalytischen Methoden der computergestützten Kommunikationswissenschaft beantwortet werden. Hierzu werden im Seminar gemeinsam mit den Teilnehmenden Datensätze zusammengetragen, an denen diese Methoden praxisnah angewendet werden können.

Das Seminar bietet eine grundlegende Einführung in die Arbeit mit R und allen relevanten Methoden. Vorwissen zu R und/oder zur computergestützten Inhaltsanalyse sind nicht notwendig, aber von Vorteil.

Literatur:
Broniatowski, D. A., Jamison, A. M., Qi, S., AlKulaib, L., Chen, T., Benton, A., et al. (2018). Weaponized Health Communication: Twitter Bots and Russian Trolls Amplify the Vaccine Debate. American Journal of Public Health, e1–e7. http://doi.org/10.2105/AJPH.2018.304567

World Economic Forum. (2018). The Global Risks Report 2018 (pp. 1–80). Retrieved from http://www3.weforum.org/docs/WEF_GRR18_Report.pdf

Anforderungen:
Aktive Mitarbeit (u.a. Literatursichtung, Recherchen, Diskussionen), Projektbericht
                  

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2019