Was ist die Legitimationsbasis eines Staates? Worauf können Regierungen ihre Autorität gründen? Wie lassen sich individuelle Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Anspruch eines Staates, das Gewaltmonopol zu haben, in Einklang bringen? – Einen klassischen Ansatz, der in historischer Perspektive die Berufung auf den ‚Befehl Gottes ‘ abgelöst hat, stellt die Theorie des Gesellschaftsvertrags (auch: ‚Sozialvertrag‘) dar. Danach ist, kurz gesagt, die Zustimmung der Regierten für die Begründung politischer Autorität maßgeblich. Die Zustimmung oder Einwilligung der politischen Subjekte wird als gemeinsamer Vertragsschluss oder gegenseitige Vereinbarung gedeutet. Autoritätsansprüche, die sich zurecht auf diesen Vertrag berufen können, gelten dann als ‚legitim‘.

In diesem Seminar werden wir (in Auszügen) Haupttexte aus der Tradition der Sozialvertragstheorie lesen und so die philosophiehistorische Entwicklung aus systematischer Perspektive als eine ‚Problemgeschichte‘ nachvollziehen. Dazu gehören – im Überblick – Hobbes, Locke, Rousseau und Kant.

Zur terminologischen und inhaltlichen Abgrenzung und Verortung des Seminars: Das Seminar wird der Politischen Philosophie zugerechnet. Wir befassen uns mit der politischen Theorie des Sozialvertrags und ihren Ursprüngen. Kontraktualistische Ansätze zur Moralbegründung stehen nicht auf dem Programm. In der angloamerikanischen Philosophie wird der Ausdruck ‚Kontraktualismus‘ in der Gegenwart z.T. in einem sehr engen Sinne verstanden; er bezieht sich dann auf die moralphilosophische Begründungsstrategie von Thomas Scanlon. Für einen Strang der hier behandelten Tradition und Theorie des Gesellschaftsvertrags hat sich im Englischen der Ausdruck ‚Kontraktarianismus‘ durchgesetzt, der in der deutschen Sprache bislang selten Verwendung findet. Während ‚contractarians‘ das rationale Eigeninteresse und die Vorzüge, die mittels sozialer Kooperation zu erreichen sind, in den Vordergrund stellen, stehen die in Abgrenzung dazu ‚contractualists‘ genannten Theoretiker in der kantischen Tradition und betonen die Pflicht zur Achtung der – in einem normativ anspruchsvollen Sinne verstandenen – ‚Person‘. Wie Kant von der Idee der Freiheit eines jeden zur Begründung positiven Rechts aus Vernunftgründen und der Pflicht, mit anderen „zusammen in eine bürgerliche Verfassung zu treten” (§ 8 der Rechtslehre in der Metaphysik der Sitten von 1797) gelangt, werden wir in den letzten Sitzungen des Seminars genauer untersuchen.

Die nichtkantische Sozialvertragstheorie beleuchten im Überblick:

Cudd, Ann & Eftekhari, Seena (2018), Eintrag „Contractarianism”. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2018 Edition), hg. von Edward N. Zalta; https://plato.stanford.edu/archives/sum2018/entries/contractarianism/.

Weitere Literaturangaben erhalten Sie im Seminar. Die Seminarlektüre wird im Learnweb zur Verfügung gestellt.

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2019