Die Rede über Werte und Wertungen ist im Alltagsdiskurs ubiquitär. In Erziehungs- und in pädagogischen Zusammenhängen wird häufig über „irreduzible Wertentscheidungen“ gesprochen, im politischen Diskurs werden gerne „geteilte Werte“ beschworen (seien es die europäischen, die transatlantischen oder andere) und „grundlegende Wertkonflikte“ beklagt; und schließlich geben Institutionen und Firmen ihren MitarbeiterInnen in Form eines „Leitbildes“ oder „Selbstverständnisses“ zunehmend Wertorientierungen an die Hand.

Was aber ist das eigentlich – ein Wert? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Werten werden gemeinhin Eigenschaften zugeschrieben, die bei Lichte gesehen, nicht gut zueinander passen und sogar in Widersprüche führen. Einerseits, so meinen viele, handele es sich bei Werten lediglich um den Ausdruck subjektiver Werthaltungen. Demnach gibt es keine Werte unabhängig von Personen, die Werthaltungen haben. Andererseits aber wird Werten oftmals überindividuelle Verbindlichkeit zugesprochen. Demnach sollte man in seinem Handeln generell objektiven moralischen Werten (wie Ehrlichkeit, Besonnenheit, Menschlichkeit etc.) folgen und Handlungen unterlassen, die diesen Werten nicht entsprechen. Wie aber kann es Werte geben, die alle „teilen“ sollten, wenn doch Werte bloß Ausdruck subjektiver Werthaltungen sind? Und wenn es objektive Werte tatsächlich gäbe: Wie kann man sie erkennen und worin bestehen sie?

In der Philosophie gibt es eine lange Tradition der Beschäftigung mit Werten. Im Seminar werden wir uns anhand von klassischen und aktuellen wertphilosophischen Texten verschiedene Aspekte von Werten und Wertungen erschließen. Das primäre Ziel besteht dabei darin, begründete Vorschläge zu den Fragen zu diskutieren, wo der Verweis auf Werte sinnvoll ist und an welcher Stelle die Orientierung an Werten – wie es der Wertphilosoph Nicolai Hartmann formuliert hat – in eine „Tyrannei der Werte“ umschlägt.

 

Literatur:

Ivo De Gennaro: Value. Sources and readings on a key concept of the globalized world. Leiden/Boston 2012.

Nicolai Hartmann: Ethik. Berlin 1926.

Iwao Hirose/Jonas Olson (Hg.): The Oxford handbook of value theory. Oxford/New York 2015.

Hans Joas: Die Entstehung der Werte. Frankfurt a. M. 1997.

Sepp Schelz: Die Tyrannei der Werte. Hamburg 1979.

William Stern: Wertphilosophie. Leipzig 1924.

Eberhard Straub: Zur Tyrannei der Werte. Stuttgart 2010.

Georg Henrik von Wright: The varieties of goodness. London 1963.


Semester: ST 2019