Eine dezidierte Filmnarratologie verdankt sich der Übertragung eines literaturwissenschaftlichen Begriffsapparats in den Bereich der Filmwissenschaft. Gleichwohl ihre Ansätze bereits in formalistischen und strukturalistischen Zusammenhängen angelegt sind und obwohl auch bereits seit den 1980er-Jahren aus rezeptionsästhetischer Perspektive heraus das Erzählen im Film erfasst worden ist, hat sich die Filmnarratologie – im Selbstverständnis einer Theorie des filmischen Erzählens – erst seit den 1990er-Jahren ausgebildet. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem zwei Zugriffsweisen populär: Die modifizierte Narratologie Gérard Genettes und die Filmsemiotik. Dennoch kann von einer allumfassenden Filmnarratologie im Sinne einer übergreifenden Theorie filmischen Erzählens nicht die Rede sein (vgl. Kuhn: „Film”. In: Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch [2017]: 46).

Angesichts der vorliegenden Versuche, einerseits Auseinandersetzungen mit verschiedensten audiovisuell-fundierten Formaten in bestehende Taxonomien aufzunehmen und andererseits Nomenklaturen und Sets an Theoremen fortlaufend zu revidieren und zu ergänzen, können folgende Bereiche als aktuell brisant hervorgehoben werden:

  • ‚verstörendes Erzählen‘: die Auseinandersetzung mit komplexen Formen des Erzählens, mit Phänomenen der Verrätselung, Paradoxie, Ambivalenz usw. (Schlickers/Toro)
  • Zeit: die Auseinandersetzung insbesondere mit Echtzeit, aber auch mit dem Bereich ‚Zeit‘ allgemein (Brössel)
  • ‚Film‘ in der Medienkultur der Gegenwart: die Auseinandersetzung mit diversen Formen audiovisuellen Erzählens über den Spielfilm hinaus, Kurznarrative im World Wide Web, Buchtrailer, Webserien usw. (Kuhn) Dazu zählt auch: die Auseinandersetzung mit dem narrativen Potenzial von Video Games (Hennig)
  • transmediale Storyworlds: die Auseinandersetzung mit dem filmischen Erzählen über einen Einzeltext hinaus (Decker; Thon)
  • Genretheorie: die Auseinandersetzung und Systematisierung von Filmgenres (Kuhn/Scheidgen/Weber)
  • Serialität: die Auseinandersetzung mit Serienformaten (Tetzlaff)
  • historische Filmnarratologie: die Auseinandersetzung mit der Diachronie filmischen Erzählens
  • Intermedialität des Films: die Auseinandersetzung mit ‚anderen‘ Medien im Rahmen filmisch-narrativer Formate (Nies)

 

Das Seminar nimmt sich diesen Bereichen an. Anhand ausgewählter theoretischer Ansätze, aktueller Forschungspositionen und -richtungen soll zu diesem Zweck auf entsprechende ‚filmische‘ Beispiele eingegangen werden. Das Ziel bestünde darin, sich einen Überblick über der aktuelle Forschungslage zu verschaffen – vielmehr jedoch darin, daran (mittels Einarbeitung, kritischer Beleuchtung und konstruktiver Weiterarbeit) aktiv mitzuwirken.

Teilnehmer beachten bitte die Zugangsvoraussetzungen!

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2019
ePortfolio: Nein