Kaum war die vollständige Alphabetschrift „erfunden“, breitete sie sich in raschem Tempo in alle Himmelsrichtungen aus. Mit ihr konnte (und kann) ausnahmslos alles schriftlich festgehalten werden, ohne dass besondere Spezialkenntnisse erforderlich wären. Schon bei den ältesten uns greifbaren Quellen, so spärlich sie sind, können daher ganz unterschiedliche Aspekte der antiken Lebenswelt gefasst werden. Die Spannweite übergreift mit voranschreitender Zeit buchstäblich das gesamte Leben mit allen seinen Aspekten. Die Zeugnisse können ganz unterschiedliche Form haben, beginnend mit fast flüchtigen Kritzeleien, sehr rasch aber auch als möglichst dauerhafte „Datenträger“; oft handelt es sich nicht nur um als in Schrift gefasste Dokumente, sondern mit unterschiedlichem Beiwerk versehene Stücke bis hin zu wirklichen Kunstwerken.

Die Übung wird daher nach einem Blick auf das Entstehen der Schrift unseres Kulturraumes sich der Vielgestaltigkeit der Quellen zuwenden wie insbesondere den praktischen Umgang mit dem Material üben. Damit ist gemeint: Zuerst der Weg vom Suchen und Finden inschriftlicher Zeugnisse zur fachgerechten Publikation (mit angemessener, in modernen Editionen üblicher Interpunktion, ebenso mit entsprechendem Kommentar), welche die Funde allen Interessierten zur Verfügung stellt. Als Weiteres wird ganz besonders die Arbeit mit den Stücken geübt (Recherche in Corpora und Spezialeditionen, Supplementschriften etc., Auswahl aus den Ergebnissen, Umgang mit den Einzelstücken, Interpretation). Auf diese Weise wird sich der Zusammenhang zwischen Inhalt und Form erkennen lassen, ist deren Stabilität oder ggf. eine Entwicklung ablesbar. Am Ende der Übung werden wir den Stellenwert dieser Quellengattung besser einschätzen können wie auch deren Aussagemöglichkeiten. Es wird uns unter anderem auch deutlich werden, warum ein antiker Potentat niemals auf den Gedanken verfallen wäre, seine Äußerungen als Twitter-Botschaft in die Welt zu geben.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2018/19