Das mittelalterlich-christliche Ordenswesen ist im populären Geschichtsbild so gut verankert, dass sich heute bereits Schulkinder ein "mittelalterliches Kloster“ vorstellen können - meist freilich vor allem als Ansammlung positiver oder negativer Klischées, die von schreibenden Mönchen als Rettern des antiken Kulturguts bis zu bierseligen Ordensbrüdern reichen. Doch wie blickt die Geschichtswissenschaft auf das komplexe historische Phänomen des religiösen Lebens in Weltabgeschiedenheit? Im Rahmen des Proseminars sollen Grundstrukturen des religiösen Gemeinschaftslebens im lateinisch-christlichen Mittelalter und neuere Forschungsansätze zum Thema erarbeitet und diskutiert werden. Die Bandbreite der Themen reicht dabei vom Umgang mit Schriftlichkeit im Kloster über die Kontakte zwischen Laien und Klosterinsassen bis zur vergleichenden Frage nach dem religiosen Leben außerhalb des lateinischen Christentums.  Auch die Reflexion neuzeitlicher Mythen- und Klischeebildung zum Thema Religion und Kloster im Mittelalter gehört zum Seminarplan. Roter Faden der Lehrveranstaltung wird die Beobachtung sein, dass sich das immer wieder angestrebte, vollständig weltabgeschiedene Klosterleben im Mittelalter kaum aufrechterhalten ließ, da religiöse Gemeinschaften in vielfachen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bindungen zu ihrer Umgebung standen und Kloster und Welt daher eng verzahnt bleiben mussten. Zeitgenössische Kritik an diesen Verknüpfungen - die oft genug auch die Mythenbildung des 19. und 20. Jahrhunderts inspirierte - soll im Seminar als wichtiges Element historischer Wandlungs- und Erneuerungsprozesse aufgegriffen werden. Für eine erfolgreiche Teilnahme wird die Bereitschaft zur regelmäßigen Lektüre von Fachliteratur als Hausaufgabe und die aktive Beteiligung an der Seminardiskussion erwartet. 

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2018/19