"Wer ist Europa?" soll der preußische Außenminister Otto von Bismarck im Frühjahr 1863 auf die britischen Vorhaltungen, die öffentliche Meinung Europas werde seine Politik in der polnischen Frage nicht akzeptieren, geantwortet haben. Auch in der Folgezeit bedachte der preußische „Realpolitiker“ auswärtige Politiker und Diplomaten, die sich auf die ‚Interessen Europas’ beriefen, nicht selten mit Hohn und Spott. Andererseits war er als Kanzler des 1871 von ihm mitbegründeten neuen Deutschen Kaiserreiches außenpolitisch sehr viel europäischer orientiert als viele seiner deutschen Zeitgenossen und erschien seine Direktion deutscher Außenpolitik in der Zeit von 1871-1890 später manchen gar als Versuch, eine Art "Interessengemeinschaft" (Oncken) zwischen der Sicherung des Deutschen Kaiserreiches und der Wahrung des Friedens in Europa herzustellen. Ziel des Seminars ist es, näher zu beleuchten: in welcher Art und mit welchen Orientierungen, Zielen, Mitteln und Methoden Bismarck 1863-70 die preußische Außenpolitik und 1871-90 die deutsche Außenpolitik in Europa entwickelte; welche Wandlungen bzw. Kontinuitäten seine Außenpolitik gegenüber Großbritannien, Russland, Frankreich, Österreich, Italien, dem Osmanischen Reich u.a. aufweist und welche Bedeutung sie vor und nach Gründung des Kaiserreiches für die Entwicklung der internationalen Beziehungen in Europa hatte.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2018/19