Im Nachklang der Novemberrevolution von 1918/19 kommt es innerhalb der Protestantischen Theologie zu einem Umbruch, der bisweilen als Neueinsatz bezeichnet wird. In der Zeit der Weimarer Republik wird neben der konservativen Luther-Renaissance vornehmlich die sogenannte Wort-Gottes-Theologie um Karl Barth bedeutsam, welche sich auch als Reaktion auf die Liberale Theologie des ausgehenden 19. Jh. formiert.

 

In Mitten dieser geistesgeschichtlichen Neuorientierung entwirft der Theologe und Religionsphilosoph Paul Tillich (1886-1965) seine philosophische Theologie als „dritten Weg“. Nach seiner Kriegsheimkehr 1918 wird Tillich rasch Teil des religiös-sozialistischen „Kairos-Kreises“ und

arbeitet zwischen 1919 und 1933 seine Idee eines Religiösen Sozialismus aus. Dieser avanciert mithin zur Ausgestaltung einer spezifisch christlichen Sozialethik und Forderung nach sozialer Gerechtigkeit. Grundlegend für die Theoriebildung werden für Tillich die Begriffe Theonomie, Kairos und das Dämonische, welche die Schriften dieser Zeit durchziehen. Die Konzeption des Religiösen Sozialismus wird nunmehr – in Abgrenzung zur bürgerlich-liberalen und romantischen Gesellschaftstheorie – von Tillich als Verwirklichung der im Neuen Testament begegnenden Liebesethik entfaltet. Letzteres schlägt sich vorderhand in der „Sozialistischen Entscheidung“ von 1933 nieder – derjenigen Schrift, die im Zuge des aufsteigenden Nationalsozialismus zu Tillichs Emigration in die USA führen sollte.

 

Anhand ausgewählter Schriften beschäftigen wir uns im Seminar systematisch und historisch mit Tillichs Konzept der 1920er Jahre und fragen nach dem ethisch-theologischen Gehalt seiner Überlegungen. Dabei kommen gleichsam die Stimmen wichtiger Zeitgenossen zu Wort. Zudem führt das Seminar im Anschluss an Tillich in die Grundfragen der Theologischen Ethik ein.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2018/19