Den Anteil nationalsozialistischer Erziehung an autoritärer Herrschaft, Weltkrieg und Völkermord zu untersuchen, steht zwingend im Zentrum der Überblicksvorlesung. In einem vorangegangenen Seminar vor zwei Semestern zur Erziehung im Nationalsozialismus hatten sich konkreter vier Themenkreise als besonders relevant herauskristallisiert:

  • In welchen längerfristigen Traditionszusammenhängen stehen nationalsozialistische Erziehungsvorstellungen?
  • Welche Konzepte für schulische und außerschulische Erziehung hat die NSDAP zwischen 1933 und 1945 entworfen und verfolgt?
  • Was wissen wir aus Überlieferung und bildungsgeschichtlicher Forschung über die Alltagspraxis von Erziehung unter dem NS-Regime?
  • Geben uns Aufarbeitungsversuche zur NS-Erziehung nach 1945 aktuell relevante Hinweise für ihre bildungsgeschichtliche Einordnung und historische Beurteilung?

Die Vorlesung geht davon aus, dass die Erziehungsideologie des Nationalsozialismus und die Praxis des Erziehens in der NS-Zeit nicht immer und überall übereinstimmten, sondern teilweise auch in einem Spannungsverhältnis zueinander standen.

In den vierzehn Vorlesungen befassen sich abwechselnd die beiden Lehrenden mit den Fragen, warum man NS-Erziehung studieren sollte, welche Sozialisationseffekte das Erleben der NS-Zeit in der Nachkriegsgeneration hatte, wie Erziehung nach Ausschwitz gedacht werden konnte und welche didaktischen Möglichkeiten der Aufarbeitung es in der Gegenwart geben kann. Aus der Vorgeschichte der NS-Herrschaft werden Vorstellungen zur Nationalerziehung aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts, Ansätze völkische Pädagogik aus dem Wilhelminischen Kaiserreich und NS-affine Erziehungs- und Didaktiktheorien aus der Zeit vor und direkt nach der Machtergreifung 1933 thematisiert. In einem weiteren Komplex sollen Schulstruktur und Lerninhalte, Unterrichtspraxis und Lehrerhandeln, außerschulische Formationserziehung und Erziehung in NS-Ausleseschulen unter der NS-Herrschaft behandelt werden. Im Rahmen der Vorlesung hält am 25 Januar 2018 der Bildungshistoriker Professor Dr. Heinz-Elmar Tenorth (Berlin) einen öffentlichen Vortrag zu Universitäten im Dritten Reich.

In der Lehrveranstaltung wird immer wieder methodisch abgewogen, welche erziehungswissenschaftlichen Schlüsse wir aus den Quellen, aus biographischen Erinnerungen und den Deutungen der Geschichtsschreibung über nationalsozialistische Erziehung als Kontrastfolie zu einer verantwortbaren Pädagogik der Mündigkeit ziehen können und müssen.

Zur Vor- und Nachbereitung der einzelnen Vorlesungsthemen werden für die teilnehmenden Studierenden im Learnweb Texte und Quellen zur Verfügung gestellt werden. Am Ende der Vorlesungszeit des Semesters wird für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Test (Kurzklausur) als Studienleistung angeboten. Darüber hinaus können Einzelverabredungen über die Ablegung einer Modulabschlussprüfung in Form einer Hausarbeit oder einer mündlichen Prüfung getroffen werden.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2017/18