Literarische Texte fungieren als Medien symbolischer Sinnkonstitution: sie entwerfen nach Jurij Lotman mittels des primären Zeichensystems der natürlichen Sprache Modelle von Welt, indem sie sekundäre semiotische Systeme konstruieren. Zum ‚Zeichen‘ kann dabei werden, was für etwas anderes steht, auf das es verweist. Eine derart allgemeine Definition von ‚Zeichen’ wirft im Kontext von Sprache und Literatur allerdings die Frage auf, welchen Charakter die Sprachzeichen in der Literatur haben – und worauf Zeichen in Texten verweisen. Wenngleich über Begriff, Funktion und Reichweite von Zeichen seit der Antike nachgedacht wird, so existiert die moderne Semiotik als eigenständige Wissenschaft von den Zeichen, ihrer Organisation in Zeichensystemen und den Zeichenprozessen insgesamt in einem engeren Sinne erst seit etwa einhundert Jahren – seit den Überlegungen von Charles Sanders Peirce. Als eine Grundlagen- und Metawissenschaft hat die Semiotik dabei im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine differenzierte theoretische Grundlage für die Analyse kultureller, textbasierter Phänomene entwickelt.

 

Die Vorlesung führt ein in allgemeine Fragen der Semiotik um Kognition, Kommunikation und kulturelle Bedeutungsgebung und stellt am Umgang mit Texten unterschiedliche Ansätze der Literatur- und Mediensemiotik vor. Neben Charles S. Peirce werden u.a. theoretische Positionen behandelt von: Charles W. Morris, Ferdinand de Saussure, Roland Barthes, Roman Jakobson, Jan Mukařovský, Jurij M. Lotman und Michael Titzmann. Zentrale Aspekte werden dabei sein: Sprache der Literatur, Text als Zeichensystem, Künstlerische Kodes, Konstruktionsprinzipien des Textes, Pragmatik, Semantik, Verhältnis von künstlerischen Texten und Systemexternem.

 

Ausgehend von den im ersten Vorlesungsteil skizzierten historischen Positionen einer semiotischen Texttheorie sollen dann in einem zweiten Teil der Vorlesung spezifische Fragen u.a. der Literatur-, Theater-, Bild- und Filmsemiotik im Vordergrund stehen und in lektürepraktischen Anwendungen analytisch erprobt werden.

 

Zur vorbereitenden und begleitenden Lektüre empfohlen:

 

- Umberto Eco: Zeichen: Einführung in einen Begriff und seine Geschichte, Frankfurt/M. 1977.

- Umberto Eco: Einführung in die Semiotik, 9. Aufl. Stuttgart 2002.

- Michael Titzmann: „Semiotische Aspekte der Literaturwissenschaft: Literatursemiotik“, in: Roland Posner/Klaus Robering/Thomas Sebeok (Hrsg.): Semiotik/Semiotics. Ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur, Bd. 13.3, Berlin/New York 2003, S. 3028-3103.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WT 2016/17