Tobias E. Gronbach
Wintersemester 2024/25, Proseminar 018178: zum Vorlesungsverzeichnis
Religionsphilosophische Perspektiven zum Verhältnis von Glauben und Wissen
Das Fragen nach dem Verhältnis von Glauben und Wissen hat eine lange Tradition. Im Rahmen des Proseminars werden wir uns mit religionsphilosophischen Perspektiven zu diesem Verhältnis auseinandersetzen. Vertiefen wollen wir unsere Auseinandersetzung dort, wo sich dieses Verhältnis sinnvoll explizieren lässt als ein Verhältnis von zwei Weisen (Modi) des Überzeugtseins. Hier ist vom Überzeugtsein die Rede im Sinne des Umstands, dass eine Person oder eine Personengruppe überzeugt von etwas ist. Somit stellen sich unter anderem folgende Fragen: (1) Was heißt es, dass eine Person oder eine Personengruppe überzeugt von etwas ist? (2) Was unterscheidet ein Überzeugtsein im Modus des Glaubens von einem Überzeugtsein im Modus des Wissens (und was unterscheidet Glauben bzw. Wissen von einem Überzeugtsein im Modus der bloßen Meinung)? (3) Was folgt aus den im Proseminar diskutierten Antworten auf die Fragen (1) und (2) im Hinblick darauf, was überhaupt ein sinnvoller Inhalt des Glaubens bzw. Wissens einer Person oder Personengruppe sein kann?
Im Rahmen des Proseminars wollen wir diesen und anderen Fragen nachgehen, indem wir uns mit ihnen sowie zugehörigen Antwortversuchen sowohl historisch (im Kontext unterschiedlicher Stationen der europäischen Philosophiegeschichte) als auch systematisch (im Zusammenhang mit der methodischen Ordnung im Aufbau von Wissenschaft und Sprache) beschäftigen. Die Ergebnisse der Seminardiskussion sollen insbesondere auch dahingehend reflektiert werden, wie sie im Kontext aktueller interkulturell-theologischer Diskurse zu bewerten sind.
In der Regel ist für jede Sitzung des Proseminars ein Text zu lesen, welcher in der jeweiligen Seminarsitzung diskutiert wird. Die Seminartexte werden im Learnweb zur Verfügung gestellt. Es handelt sich bei den Seminartexten vor allem um Abschnitte aus:
[1] Kühnlein (Hrsg.), "Religionsphilosophie und Religionskritik", Suhrkamp 2018;
[2] Leonhardt, (insb. "§ 4. Der Glaube" IN) "Grundinformation Dogmatik", utb 2023;
[3] Wirtz, "Religionsphilosophie. Eine Einführung", Metzler 2022.
Das Seminarprogramm umfasst also vor allem Texte aus der Tertiär- und Sekundärliteratur. Das Proseminar bietet auf diese Weise Gelegenheit dazu, religionsphilosophische Grundkenntnisse zu erwerben. Mithilfe dieser Kenntnisse wollen wir auch Abschnitte mindestens eines philosophischen Primärtextes diskutieren. Angestrebt ist die kleinschrittige Lektüre ausgewählter Abschnitte aus dem Gesamtwerk Immanuel Kants (1724–1804), um unter anderem den Sinn des berühmten folgenden Ausspruchs von Kant besser zu verstehen: „Ich mußte also das W i s s e n aufheben, um zum G l a u b e n Platz zu bekommen“ (Kritik der reinen Vernunft (KrV), S. B XXX). Das Proseminar setzt keinerlei(!) Vorkenntnisse zur KrV oder der Philosophie Kants voraus. Die KrV gehört zu denjenigen philosophischen Texten, die mit dem radikalen Anspruch vorgelegt wurden, in systematischer Hinsicht grundlegend zu sein. Im Verlauf des Proseminars soll insbesondere an mögliche Ansätze herangeführt werden, auch solche Texte, die sich mit systematischen Grundlegungsfragen der Philosophie befassen, wie z. B. die KrV, gewinnbringend zu lesen – und zwar gewinnbringend relativ zu religionsphilosophischen sowie theologischen Zwecken.