Mikrobieller Abbau von Kautschuk

Kautschuk Struktur Abb. 1 Strukturformeln der beiden Stereoisomere des Polyisoprens.

Vorhaben und Ziele

Naturkautschuk wird aus dem Milchsaft (Latex) verschiedener tropischer Gewächse gewonnen, von denen Hevea brasiliensis die größte wirtschaftliche Bedeutung besitzt. Latex ist eine Emulsion von 0,5-1 µm großen Naturkautschuk-Tröpfchen. Weiterhin sind in geringen Gewichtsanteilen Proteine, Lipide und Kohlenhydrate enthalten, deren Gesamtanteil aber 6 % nicht übersteigt. Das Kautschuk-Polymer besteht aus cis-1,4-Polyisopren, einem hochmolekularen, ungesättigten Kohlenwasserstoff mit einem Polymerisationsgrad von 8.000 bis 30.000 Isopreneinheiten (Mw 0,5-2 x106). Um eine größere Elastizität und Zugfestigkeit der Kautschuk-Produkte zu erreichen, wird Kautschuk großindustriell dem 1840 von Goodyear entdeckten Prozess der Vulkanisation unterworfen; die Makromoleküle werden über Schwefelbrücken vernetzt.

 Kondomabbauq
Abb. 2 Kondomabbau durch Gordonia polyisoprenivorans

Erste systematische Untersuchungen zum mikrobiellen Abbau von Kautschuk wurden bereits 1914 von Söhngen und Fol durchgeführt, welche zur Isolierung einiger Actinomyceten führte, die Löcher im Kautschuk hervorriefen. Spence und van Niel (1936) isolierten Mikroorganismen, die auf Latex-Agarplatten eine Klärhofbildung zeigten. Erste Ergebnisse zum Mechanismus des Kautschukabbaus konnten durch Tsuchii (1985) aufgezeigt werden, der eine oxidative Spaltung der Doppelbindung unter Bildung von Carbonylenden vorschlägt.

Kautschuk-abbauende Mikroorganismen lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Vertreter der klärhofbildenden Kautschukabbauer findet man ausschliesslich bei den Streptomyceten und verwandten Gattungen. Diese Gattungen sind der Öffentlichkeit vor allem durch die Produktion der wichtigen Stoffklasse der Antibiotika bekannt. So stammen 40 % aller bekannten Antibiotika von Vertretern der Gattung Streptomyces, wie z.B. Streptomycin, Tetracyclin, Erythromycin und Chloramphenicol.

Weniger bekannt, für das ökologische System aber immens wichtig, ist ihre Eigenschaft, verschiedene Polymere abzubauen. So besitzen viele Streptomyceten Enzyme zur Verwertung von Stärke, Chitin oder Cellulose. Daher war es für uns nicht verwunderlich, Kautschuk-verwertende Vertreter unter den Streptomyceten zu finden.


Em
Abb. 3 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von einem Latexhandschuh, der mit einem klärhofbildenden Streptomyceten inkubiert wurde


Da Streptomyceten genetisch nicht so leicht zugänglich sind wie etwa das "Haustierchen" der Mikrobiologen, Escherichia coli, war es erst einmal nötig, bestehende Transformationssysteme für die klärhofbildenden Streptomyceten zu optimieren bzw. neue zu entwickeln. Danach wurden auf chemischen Wege Mutanten erzeugt, die nicht mehr in der Lage waren, Latex zu verwerten. Diese Mutanten sollen dann mit Gesamt-DNA Fragmenten des Wildtyp-Stammes wieder zur Klärhofbildung befähigt werden.


Die zweite Gruppe von Bakterien zeigt adhäsives Wachstum auf kautschukhaltigen Materialien; sie benötigen den direkten Kontakt zum Kautschuk. Einige Vertreter dieser Gruppe wurden erstmals durch unsere Arbeitsgruppe isoliert und charakterisiert. Zu dieser Gruppe gehören ausschließlich nocardioforme Actinobacteria. Dieses sind Gram-positive Spezies mit einem hohen GC-Gehalt, welche Mycolsäuren synthetisieren. Viele Gattungen der Actinobacteria sind für ihre metabolische Vielfalt bekannt und können eine Vielzahl schwer zugänglicher Verbindungen zur Energiegewinnung nutzen. Stämme der Arten Gordonia polyisoprenivorans und Gordonia westfalica wurden als potente Kautschuk-Abbauer beschrieben und stehen als Vertreter der adhäsiv wachsenden Gruppe im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten. Ein Ziel des Projekts ist die Aufklärung der biochemischen und molekularen Grundlagen des Abbaus von Polyisoprenoiden.

Platte
Abb. 4 Isolation von Mutanten auf  Polyisopren-Sandwichplatten.


In unserer Arbeitsgruppe für diese Gattung wurde erstmalig ein Gen-Transfer-System etabliert und beschrieben. Aufbauend auf diesem Transfersystem wurden Untersuchungen zur Aufklärung der molekularen Mechanismen des mikrobiellen Kautschukabbaus durchgeführt. Dazu fand ein Transposon-basiertes Mutagenesesystem Anwendung, mit dessen Hilfe Mutanten, welche die Fähigkeit zum Kautschukabbau verloren haben, genetisch und wachstumsphysiologisch charakterisiert worden sind.

Fermenter
Abb. 5 Feststofffermenter unseres Kooperationspartners bioreact.


Auch deutet das Vorkommen von Megaplasmiden in Kautschuk-abbauenden Vertretern der Gattung Gordonia auf einen plasmidkodierten Kautschukabbau hin. Ein natives 101 kbp Plasmid, welches in Gordonia westfalica gefunden wurde, wurde zu diesem Zweck vollständig sequenziert. Da Mutanten, welche dieses Plasmid partiell verloren haben, nicht mehr in der Lage sind, Kautschuk zu verwerten, werden nun alle in Frage kommenden ORFs des Plasmids hinsichtlich ihrer Beteiligung am Kautschukabbau charakterisiert. Daneben konnte dieses Plasmid auch für die Konstruktion von geeigneten E. coli-Gordonia Shuttlevektoren genutzt werden.


Die Verfügbarkeit geeigneter Mikroorganismen und Kentnisse über den Polyisopren-Abbau ermöglichen neue biotechnologische Prozesse der Nutzung kautschukhaltiger Abfälle. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wird ein mikrobiologisches Verfahren zur stofflichen Wiederverwertung kautschukhaltiger Rest- und Abfallstoffe entwickelt. Dabei werden auf der einen Seite Kautschukmaterialien wie Latexhandschuhe oder -matratzen in Feststofffermentern mikrobiologisch so umgesetzt, dass interessante Zwischenprodukte entstehen, die analysiert und für Produktionsprozesse eingesetzt werden können. Auf der anderen Seite wird an einer mikrobiologischen Entschwefelung von Altreifengranulaten gearbeitet, so dass ein größerer Anteil von diesem Material für die Produktion von Neureifen eingesetzt werden kann.

Stichwörter:

cis-1,4-Polyisopren, Latex, Naturkautschuk, Gummiabbau, Gordonia polyisoprenivorans, Gordonia westfalica, Micromonospora aurantiaca, Actinoplanes, Streptomyces, Streptomyces  sp. K30, Megaplasmid

Publikationen

 

I Publications in peer reviewed journals (original contributions)


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Arenskötter, M., D. Baumeister, D. Bröker, U. Hölker, E. M. A. Ibrahim, J. Lenz, K. Rose, and A. Steinbüchel. 2003. Entwicklung eines biotechnologischen Verfahrens zur stofflichen Wiederverwertung kautschukhaltiger Rest- und Abfallstoffe. transkript Sonderband Biokatalyse pp. 28-32.

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II Other original contributions

Arenskötter, M., D. Baumeister, D. Bröker, E. M. A. Ibrahim, K. Rose, and A. Steinbüchel. 2002. Mikrobieller Abbau von Natur- und Synthesekautschuk. BIOforum 3/2002:124-126.
Linos, A., and A. Steinbüchel. 1996. Investigations on the microbial breakdown of natural and synthetic rubbers. In: DECHEMA Monographs, Vol. 133 (Eds. W. Sand und G. Kreysa), pp. 279-286.

III Review articles in peer reviewed journals or books

Arenskötter, M., D. Bröker, and A. Steinbüchel. 2004. Biology of the metabolically diverse genus Gordonia. Appl. Environ. Microbiol. 70:3195-3204.
Linos, A., and A. Steinbüchel. 2001. Biodegradation of natural and synthetic rubbers. In: Koyama and A. Steinbüchel (eds.) Biopolymers – Vol. 2, 1st Edition, Wiley-VCH, Weinheim, pp. 321-359.

IV Other review articles

Rehm, B. H. A., N. Hoffmann, Q. Qi, S. Fiedler, and A. Steinbüchel. 2004. Biosynthesis of latex-like polyhydroxyalkanoates. Proceedings of the "International Symposium on Bioconversion of Renewable Raw Materials" in Braunschweig, pp. 163-175.