Der Reiz des Archivs

2. Methodenworkshop des ZeTeK

in Kooperation mit dem Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen

Wintersemester 2016/17

Noch niemals sind Archivquellen so schnell und einfach verfügbar gewesen wie heute. Doch ihre Auswertung ist dadurch nicht weniger anspruchsvoll. Im Studienalltag fehlt oft die Zeit, sich angemessen in die Quellenarbeit zu vertiefen. Nach einer erfolgreichen ersten Auflage im Wintersemester 2015/16 wollen wir Studierenden und Doktoranden erneut die Möglichkeit geben, den Reiz des Archivs außerhalb des Semesterprogramms kennenzulernen. Der Workshop bietet eine praktische Einführung in die Arbeit mit den archivalischen Quellen des Mittelalters und der Neuzeit. Die Teilnehmer werden in Kleingruppen von einem Lehrenden betreut. Phasen intensiver Quellenarbeit werden von gemeinsamen Diskusionspanels abgelöst.

Paläographische Grundkenntnisse werden vorausgesetzt. Die Veranstaltung steht allen historisch interessierten Studierenden und Doktoranden offen.

Wann? 15. bis 17. Februar 2017 (Anmeldeschluss ist Freitag, der 20. Januar 2017)

Wo? Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen (Bohlweg 2, 48147 Münster)

Ablauf?
Acht Historiker und Archivare bieten über drei Tage hinweg einen bunten Strauß an Themen. Vormittags und nachmittags setzen sich die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammen und arbeiten sich unter Anleitung in das themenspezifischen Quellenmaterial ein. Eingerahmt werden diese Arbeitsphasen durch Impulsreferate und Plenumsdiskussionen zu übergreifenden Fragen.

Verbuchung? Als Übung, Allgemeine Studien, Schlüsselqualifikation und mit Zusatzleistungen (u.a. Hausarbeit) auch als Seminar

Anmeldung?
Bitte senden Sie eine Email an Herrn Jonas Stephan, jonas.stephan@uni-muenster.de.
Geben Sie nach Möglichkeit drei der unten aufgeführten Themen an, die Sie besonders interessieren.

Die Dozenten:

Dr. Mechthild Black-Veldtrup (Landesarchiv NRW Abt. Westfalen)
Antje Diener-Staeckling (LWL-Archivamt für Westfalen)
Étienne Doublier (Bergische Universität Wuppertal)
Dr. Georg Jostkleigrewe (WWU Münster)
Prof. Dr. Jan Keupp (WWU Münster)
Prof. Dr. Wilfried Reininghaus (Historische Kommission für Westfalen)
Jun. Prof. Sita Steckel (WWU Münster)
Dr. Gunnar Teske (LWL-Archivamt für Westfalen)

Die Themen:

1. Die Tagebücher des Oberpräsidenten Ludwig Freiherr Vincke (Mechthild Black-Veldtrup)
2. Kommunale Quellen aus dem Westfälischen Raum (Antje Diener-Staeckling)
3. Eintrittskarten für das Paradies: Ablassbriefe im spätmittelalterlichen Westfalen (1220-1520) (Étienne Doublier)
4. Burgleben in unruhigen Zeiten: Das Beispiel Lüdingshausen (Jan Keupp)
5. Regieren im Alltag. Königliche Mandate aus der Kanzlei Philipps V. von Frankreich (Georg Jostkleigrewe)
6. Neuordnung in der Amtsstube. Die Amtsbücher von St. Mauritz als Beispiel spätmittelalterlicher Wissensorganisation (Sita Steckel)
7. Vernunftehe oder Liebesheirat? Quellen zu den Ehen des Sweder Schele zu Weleveld und Welbergen und seiner Kinder (Gunnar Teske)
8. Schatzungslisten aus dem Herzogtum Westfalen (Wilfried Reininghaus)


Mechthild Black-Veldtrup

Die Tagebücher des Oberpräsidenten Ludwig Freiherr Vincke
Ludwig Vincke schrieb von seinem 15. Lebensjahr, dem Jahr der Französischen Revolution 1789, bis zu seinem Tod mit knapp 70 Jahren 1844 fast täglich in sein Tagebuch. Als liberal denkender Adliger, der im preußischen Staatsdienst eine Karriere vom Landrat in Minden bis zum ersten Oberpräsidenten der Provinz Westfalen absolvierte, der sich für alle Belange seiner Provinz bis in die Details interessierte, der vom Chausseebau bis zur „Irrenanstalt“ den Ausbau der Infrastruktur maßgeblich vorantrieb und der in Berlin ein gefragter Ratgeber war, führte Vincke ein rastloses, intensives Leben als Verwaltungsfachmann und Repräsentant des Königs in der Provinz. Die Themen, die ihn beschäftigten, die Begegnungen, aber auch sein Familienleben spiegeln sich hautnah in den Tagebüchern, die er nie zur Veröffentlichung bestimmt hatte. Die im Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen überlieferten 23 Tagebuchbände werden seit einigen Jahren sukzessive ediert, um weitere Forschungen zu Vincke zu erleichtern. Vincke schreibt deutsch. Die Schwierigkeiten liegen in der kleinen Schrift, die mit den Jahren immer flüchtiger wird, und in der Identifikation der Fülle der Personen, die er nennt. Im Panel wird ein noch nicht publizierter Tagebuchtext aus der Zeit des „jüngeren Vincke“ behandelt.
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Antje Diener-Staeckling
Kommunale Quellen aus dem Westfälischen Raum
In der Entwicklung der mittelalterlichen Stadt kann das 15. Jahrhundert generell in Norddeutschland als eines der Jahrhunderte betrachtet werden, in denen sich die Städte die größtmögliche Unabhängigkeit sichern konnten. Dies geschah u.a. durch sogenannte „Städtebünde“, wie sie aus Oberdeutschland (Rheinischer Städtebund) bekannt sind. Die Städte einer Region schlossen sich zur Wahrung des Friedens und Ihrer Rechte zusammen, u.a. auch gegen Stadt- und Landesherr. Dies ist um 1447 auch im Münsterland auf kleinem Raum geschehen, in dem sich Münster, Coesfeld, Warendorf und sieben weitere Städte der Region zusammenschlossen und sich gegenseitige Hilfe zusicherten. Ein sogenannter „Verbundbrief“ ist erhalten, dessen Inhalt erschlossen und in den Kontext am Vorabend der „Münsterischen Stiftsfehde“ eingeordnet werden soll.
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Étienne Doublier
Eintrittskarten für das Paradies: Ablassbriefe im spätmittelalterlichen Westfalen (1220-1520)
Der Ablass – ein durch den Papst oder einen Bischof unter gewissen Bedingungen gewährter Nachlass der auferlegten Sündenstrafen – zählt gewiss zu den bedeutendsten Phänomenen der mittelalterlichen Frömmigkeit. Während im Hochmittelalter Pönitenzermäßigungen noch mündlich gewährt wurden, setzte sich ab dem 13. Jahrhundert die Ablassurkunde als bevorzugtes Medium für die Vermittlung der Sündenvergebung durch. Im Rahmen der Lehreinheit werden die formalen und inhaltlichen Besonderheiten unterschiedlicher Ablassbriefe (Papst-, Legaten- und Bischofsurkunden, kuriale und nicht-kuriale Sammelindulgenzen, individuelle Beichtbriefe, notarielle Abschriften) aus verschiedenen Beständen des Landesarchives unter die Lupe genommen und somit einführende Begriffe der Diplomatik, der Paläographie sowie der Sphragistik behandelt.
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Jan Keupp
Burgleben in unruhigen Zeiten: Das Beispiel Lüdingshausen
Verwaltungsschriftgut gilt gemeinhin als trockene und blutleere Quellengattung. Doch hinter der scheinbar monotonen Masse aus Zahlenkolonnen und Rechnungsposten verbergen sich Muster mittelalterlichen Alltags ebenso wie die überraschenden Wechselfälle des zeitgenössischen Daseins. Die Rechnungsbücher der westfälischen Wasserburg Lüdinghausen aus den Zeiten der Münsteraner Stiftsfehde bieten beides: Vermerke über Federbetten, zerrissene Hosen und unfähige Handwerker, aber auch über die Aufstockung des stattlichen Waffenarsenals, verlorene Eisenhüte und erfolgreiche Brandschatzung. Das tägliche Treiben auf der Burg, die Tätigkeiten von Besatzung, Knechten und Verwalter und das Theater des spätmittelalterlichen Krieges treten auf diese Weise plastisch hervor.
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Georg Jostkleigrewe
Regieren im Alltag. Königliche Mandate aus der Kanzlei Philipps V. von Frankreich
Obwohl seit dem 14. Jahrhundert jährlich viele hundert Urkunden der französischen Könige überliefert sind, ist es gar nicht so einfach, daß alltägliche Verwaltungshandeln des französischen Königtums nachzuvollziehen. Die Register der königlichen Kanzlei verzeichneten grundsätzlich nur Urkunden mit ‚Ewigkeitscharakter‘. Nur während eines kurzen Zeitraums unter der Regierung Philipps V. (1316-1322) wich man von dieser Praxis ab. Aus dieser Zeit kennen wir daher beispielsweise Anweisungen an lokale Amtsträger und Adlige und können detailliert die Verwaltungstätigkeit des Königtums nachvollziehen. Im Panel wird zunächst eine knappe Einführung in die Struktur der königlichen Verwaltung und des dort erzeugten Archivguts geboten. Danach werden wir (je nach Wunsch) einen oder mehrere Registereinträge aus der Zeit Philipps V. lesen.
Die im Panel behandelten Quellen sind in mittelalterlichem Latein verfaßt, ntsprechende Sprachkenntnisse sind auf alle Fälle erforderlich, um mit Gewinn am Panel teilnehmen zu können! Die Schrift ist relativ leicht lesbar. Zur Vorbereitung des Panels wird vorab ein transkribiertes und übersetztes Stück zur Verfügung gestellt.
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Sita Steckel
Neuordnung in der Amtsstube. Die Amtsbücher von St. Mauritz als Beispiel spätmittelalterlicher Wissensorganisation
Rechts- und Verwaltungsdokumente wurden im Spätmittelalter bekanntlich oft in Buchform zusammengefasst, um ein Nachschlagen zu erleichtern. Doch wie konnte solch ein Dokument eigentlich geordnet und gegliedert werden? Während Urkundenbücher sich notfalls durch lineare chronologische Anordnung strukturieren ließen, mussten für komplexeres Verwaltungsschriftgut eigene Ordnungen entworfen werden. Ein schönes Beispiel für solch eine neue Ordnung liegt aus dem Münsteraner Stift St. Mauritz vor, dessen ehrgeiziger Scholaster Bernhard Tegeder nach 1490 die vorhandenen Dokumente zu einem neuen Amtsbuch in zwei verschiedenen Varianten umarbeitete - und oft mit bissigen politischen Kommentaren versah. Im Panel sollen von den Studierenden Auszüge transkribiert werden, um die beiden Varianten miteinander vergleichen und auf ihre Aussagen zu Wissensorganisation, -verzeichnung und Nutzung befragen zu können. Anliegen des Panels ist auch, ein Bewusstsein für Benutzerorientierung mittelalterlicher Handschriften (u.a. Layout) zu schaffen und durch Verständnis typischer Anordnungs- und Verzeichnistechniken die Orientierung innerhalb von längeren, komplexen Handschriftenkonvoluten zu üben.
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Gunnar Teske
Vernunftehe oder Liebesheirat? Quellen zu den Ehen des Sweder Schele zu Weleveld und Welbergen und seiner Kinder
Nachkommenschaft und dadurch die Ehe sind zentrale Aspekte adeligen Selbstverständnisses. Der niederländisch-deutsche Adelige Sweder Schele, geboren 1569 auf Haus Weleveld nördlich Enschede, gestorben 1639 auf Haus Welbergen bei Ochtrup, hat eine Familienchronik verfasst und sie sein Leben lang fortgesetzt, sodass was intensive Einblicke in sein Denken und Fühlen erlaubt. Er war zweimal verheiratet. Von seiner ersten Heirat besitzen wir einen Bericht über die Hochzeitsfeier in seiner Chronik, während wir über seine Frau und seine Ehe verhältnismäßig wenig erfahren. Nachdem er Witwer geworden war, heiratete Schele ein zweites Mal. Ein Exemplar des Ehevertrags befindet sich im Bestand Haus Campe im Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen. In seiner Chronik hat Schele seiner zweiten Frau eine ganze Reihe von Epigrammen gewidmet. An anderer Stelle macht er sich Gedanken über die Planungen der zukünftigen Ehen seiner Kinder. Schließlich gibt es noch eine Beschreibung der Hochzeit seines ältesten Sohnes, die mit mancherlei Hindernissen verbunden war. Anhand dieser Zeugnisse können verschiedene Aspekte des Themas Ehe erörtert werden.
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Wilfried Reininghaus

Schatzungslisten aus dem Herzogtum Westfalen
Schatzungslisten des 16. bis 18. Jahrhunderts erfassen Haushalte und/oder Personen und belegen sie mit landesherrlichen Steuern. Sie geben deshalb detaillierte Auskunft über individuelle Lebensverhältnisse wie über die soziale Zusammensetzung von Dörfern und Städten. Für das sog. vorstatistische Zeitalter sind eine zentrale Quelle, um Bevölkerungsgrößen zu rekonstruieren. Für das Herzogtum Westfalen, das das kölnische Sauerland und den Hellweg abdeckt, sind mehrere 100 Schatzungslisten in Münster und Arnsberg überliefert. Die älteren sind ediert, die jüngeren werden jetzt für eine digitale Edition vorbereitet. Behandelt werden gedruckte wie ungedruckte Quellen aus dem Landesarchiv. Zugleich werden (z. T.noch offene) Fragen des Umgangs mit digitalisierten Quellen erörtert.
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