Landesherrliche Reformation

Der Begriff der Landesherrlichen Reformation betont die Person des Landesherrn als maßgebliche treibende Kraft bei der Einführung des neuen Bekenntnisses. Anders als bei der städtischen Reformation, bei der die Einführung der neuen Lehre „von unten“, also durch die Bevölkerung motiviert war, ist es in diesem Fall der Landesherr selbst, der, gestützt auf einen oder mehrere Reformatoren, sein Territorium reformieren wollte. Angewiesen war er dabei auf die Mitarbeit der Landstände, zumeist Vertreter des ansässigen Adels und der größeren Städte, und bei geistlichen Territorien auf das Domkapitel. Ziel war in den weltlichen Grafschaften und geistlichen Fürstbistümern die Errichtung eines neuen Kirchenregiments mit dem Landesherrn als oberstem Kirchenherrn, als membrum praecipium ecclesiae (dem bevorzugten Glied der Kirche, Werner Freitag). Im Zuge dieses Verständnisses als summus episcopus, als Oberhaupt der Landeskirche, setzte der Landesherr Pfarrer ein, erließ eine Kirchenordnung und ließ diese durch das neu geschaffene Amt des Superintendenten mittels Visitation überprüfen. Diese idealtypische Schilderung konnte natürlich nur dann durchgesetzt werden, wenn der Landesherr auch im Sinne der Landstände handelte, diese also ebenfalls gewillt waren, das lutherische Bekenntnis anzunehmen. Für den Betrachtungsraum Westfalen ergeben sich daneben weitere Problemfelder, die mit einem Blick auf die Landkarte erläutert werden können: die weltlichen Territorien, also die Graf- und Herrschaften Westfalens waren eher klein und daher selten in der Lage, eine eigenständige Religionspolitik zu führen, weil sie oftmals von auswärtigen (Lehns-)Herren abhängig waren. Im Falle der Grafschaften Tecklenburg und Lingen erwies sich diese Verbindung zu einem auswärtigen Herrn – Philipp von Hessen – als vorteilhaft, war dieser doch ein früher Verfechter der Reformation. Anders gestaltete es sich in der Grafschaft Mark, die durch die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg veranlasst wurde, die Kirche im Sinne der via media umzugestalten. Die größeren Territorien Westfalens waren hingegen geistliche Fürstbistümer – Münster, Osnabrück, Paderborn und Minden – oder wurden von geistlichen Landesherren regiert – namentlich das Herzogtum Westfalen und das kleine Vest Recklinghausen. Hier gestaltete sich die Einführung der Reformation durch den Landesherrn ungleich schwieriger. Das Bekenntnis eines Fürstbischofs zum Luthertum hätte die Suspendierung durch den Papst nach sich ziehen können und ihn damit seiner Legitimation beraubt, schwerwiegender allerdings wog die Abhängigkeit des Bischofs vom Domkapitel, das sich aus dem landsässigen Adel zusammensetzte und um seinen Einflussbereich fürchtete. An dieser Hürde scheiterte Franz von Waldeck bei der Reformation im Hochstift Osnabrück.
Zudem wurde den Landesherren, ob weltlich oder geistlich, erst ab dem Jahr 1555 mit Einführung des Augsburger Religionsfriedens die freie Wahl des Bekenntnisses zugestanden. Eine Hinwendung zum Luthertum war bis zu diesem Zeitpunkt keinesfalls ungefährlich. Machtpolitische Überlegungen können vor diesem Hintergrund nicht ausschließlich ausschlaggebend für die Annahme der neuen Lehre gewesen sein. Vor allem bei den geistlichen Landesherren wird man eine starke religiöse Motivation annehmen dürfen.

Fürstbistum Osnabrück

Herzogtum Westfalen

Grafschaft Rietberg

Grafschaft Lippe

Grafschaft Bentheim

Grafschaft Tecklenburg

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/landesherrlichereformation/index.html

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