Projekt C2 (Prof. Dr. Ruth-E. Mohrmann)
"Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln"
Das Teilprojekt untersucht Akte symbolischer Kommunikation in Konflikten und ausgewählten alltäglichen Situationen an regionalen Beispielen sowie an
Bildquellen vom 16. bis in das 18. Jahrhundert. Ausgehend von der Prämisse, dass Zeichen erst in konkreten historischen und kulturellen Kontexten ihre spezifische
Bedeutung gewannen, ist übergeordnetes Ziel der Projektarbeit, über die Untersuchung von Wandlungsprozessen symbolischer Kommunikationsformen in
Konflikten wie alltäglichem Handeln zu grundlegenden Erkenntnissen über den Wandel gesellschaftlicher Wertesysteme zu gelangen.
Zu Beginn der zweiten Förderphase lag der thematische Schwerpunkt der Projektarbeit auf der Untersuchung symbolischer Akte und ritualisierter Handlungen in
den so genannten Rauf- und Ehrenhändeln des 16. und 17. Jahrhunderts. Dabei konzentrierte sich die Arbeit räumlich auf die Universitätsstadt Freiburg
im Breisgau, zeitlich auf das 16. und 17. Jahrhundert. Insbesondere die Konflikte, in die Studenten der Freiburger Universität verwickelt waren, erwiesen sich als
äußerst aussage- und tragfähiges Forschungsfeld. Die zahlreichen formalisierten und ritualisierten Praktiken der Konfliktaustragung in der studentischen
Kultur des 16. und frühen 17. Jahrhunderts basierten, so die Hypothese, nicht nur auf der generellen Bedeutung von Ehre für die studentische Identität.
Ebenso wirkungsmächtig waren vermutlich noch der mittelalterlichen Kriegergesellschaft entlehnte Konzepte von Ritterlichkeit und soldatisch-kriegerische
Tugenden wie (Wett-)Kampfbereitschaft, Wehrhaftigkeit, Mut und Tapferkeit, die sich als Kernelemente der studentischen Männlichkeits- und Ehrvorstellungen
herauskristallisierten.
Die Ehre als eines der zentralen Wertesysteme war in der Frühen Neuzeit generell eng verknüpft mit sozialem Rang, mit Status und Beruf (Universität, Handwerk usw.), aber auch mit dem sozialen Geschlecht im Sinne von gender. Männliche Ehre definierte sich anders als weibliche Ehre, Konzeptionen von Geschlecht und Ehre waren eng
ineinander verwoben. Dabei verfügten die Studenten, vergleichbar anderen korporativ verfassten Gruppen unverheirateter junger Männer, über eigene
Normen und Werte, deren Befolgung durch eine strikte gruppeninterne soziale Kontrolle überwacht wurde. Konstitutiv für die studentische Identität
waren u.a. die Zugehörigkeit zur peergroup und das Bewusstsein eines eigenen Standes. Der Selbstvergewisserung als Gruppe bzw. Stand, die oft über eine
demonstrative Abgrenzung von anderen Gruppen hergestellt wurde, dienten neben den akademischen Initiationsritualen auch symbolische Ausdrucksformen wie Kleidung
und Bewaffnung, die Entwicklung einer eigenen Studentensprache, gemeinsames Essen und Trinken, die Ausprägung einer spezifisch studentischen Freizeit- und
Geselligkeitskultur und nicht zuletzt die zahlreichen, mehr oder weniger ritualisiert ablaufenden studentischen Händel. Ausgehend von diesen Erkenntnissen
rückten die Studenten und ihre Konfliktkultur, erweitert um Aspekte spezifisch studentischer Freizeitgestaltung und Geselligkeit, in der zweiten Förderphase
ins Zentrum des Projektinteresses. Besonderes Augenmerk galt den Auswirkungen der zeitgenössischen Geschlechterkonzeptionen, hier insbesondere der
Vorstellungen von Männlichkeit und männlicher Ehre, auf das konkrete Konfliktverhalten und den Einsatz expressiv-symbolischer Praktiken der
Konfliktaustragung.
Ausgehend von der Bedeutung, die dem Tragen
und dem Einsatz von Waffen in Teilen der männlichen Bevölkerung der Universitätsstadt Freiburg im Breisgau zukamen, hat sich das Projekt
entschlossen, den Soldaten und damit derjenigen Gruppe, für die der Waffenbesitz konstitutiv war, eine eigene Untersuchung zu widmen. Das Dissertationsprojekt
von Urte Evert (begonnen 2003) fragt nach der symbolischen Bedeutung der Waffe für den Soldaten und die soldatisch-männliche Identität in zeitlich
übergreifender Perspektive (16.-19. Jahrhundert). Für die frühe Neuzeit stützt sich die Arbeit exemplarisch auf die im Stadtarchiv Münster
überlieferten Akten, in denen Soldaten in Konflikte verwickelt waren.
Neben der Eingabe und Verschlagwortung von schriftlichen Quellen in einer "Konfliktdatenbank" hat das Projekt im zweiten Förderzeitraum eine
Bilddatenbank eingerichtet, in die in einem ersten Schritt insbesondere bildliche Darstellungen von Konflikten aus der Frühen Neuzeit eingespeist und
verschlagwortet wurden. Das bisherige Bildcorpus beinhaltet insbesondere Bildquellen aus den Kupferstichkabinetten der Veste Coburg, der Albertina Wien sowie der
Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, die die Projektleiterin bei mehreren Arbeitsaufenthalten in Berlin, Coburg und Wien erhoben hat.
Projektdauer:
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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