Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Forschungsbericht 2003-2004 - Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution"

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Forschungsbericht
2003 - 2004

 

 
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Sonderforschungsbereich 496
"Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution"

Tel. (0251) 83-27913/14
Fax: (0251) 83-27911
e-mail: sfb496.sekretariat@uni-muenster.de
www: www.uni-muenster.de/SFB496
Salzstr. 41
48143 Münster
Direktorin: Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger

Forschungsschwerpunkte 2003 - 2004  
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Projekt C2 (Prof. Dr. Ruth-E. Mohrmann)
"Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln"

 
Das Teilprojekt untersucht Akte symbolischer Kommunikation in Konflikten und ausgewählten alltäglichen Situationen an regionalen Beispielen sowie an Bildquellen vom 16. bis in das 18. Jahrhundert. Ausgehend von der Prämisse, dass Zeichen erst in konkreten historischen und kulturellen Kontexten ihre spezifische Bedeutung gewannen, ist übergeordnetes Ziel der Projektarbeit, über die Untersuchung von Wandlungsprozessen symbolischer Kommunikationsformen in Konflikten wie alltäglichem Handeln zu grundlegenden Erkenntnissen über den Wandel gesellschaftlicher Wertesysteme zu gelangen.

Zu Beginn der zweiten Förderphase lag der thematische Schwerpunkt der Projektarbeit auf der Untersuchung symbolischer Akte und ritualisierter Handlungen in den so genannten Rauf- und Ehrenhändeln des 16. und 17. Jahrhunderts. Dabei konzentrierte sich die Arbeit räumlich auf die Universitätsstadt Freiburg im Breisgau, zeitlich auf das 16. und 17. Jahrhundert. Insbesondere die Konflikte, in die Studenten der Freiburger Universität verwickelt waren, erwiesen sich als äußerst aussage- und tragfähiges Forschungsfeld. Die zahlreichen formalisierten und ritualisierten Praktiken der Konfliktaustragung in der studentischen Kultur des 16. und frühen 17. Jahrhunderts basierten, so die Hypothese, nicht nur auf der generellen Bedeutung von Ehre für die studentische Identität. Ebenso wirkungsmächtig waren vermutlich noch der mittelalterlichen Kriegergesellschaft entlehnte Konzepte von Ritterlichkeit und soldatisch-kriegerische Tugenden wie (Wett-)Kampfbereitschaft, Wehrhaftigkeit, Mut und Tapferkeit, die sich als Kernelemente der studentischen Männlichkeits- und Ehrvorstellungen herauskristallisierten.

Die Ehre als eines der zentralen Wertesysteme war in der Frühen Neuzeit generell eng verknüpft mit sozialem Rang, mit Status und Beruf (Universität, Handwerk usw.), aber auch mit dem sozialen Geschlecht im Sinne von gender. Männliche Ehre definierte sich anders als weibliche Ehre, Konzeptionen von Geschlecht und Ehre waren eng ineinander verwoben. Dabei verfügten die Studenten, vergleichbar anderen korporativ verfassten Gruppen unverheirateter junger Männer, über eigene Normen und Werte, deren Befolgung durch eine strikte gruppeninterne soziale Kontrolle überwacht wurde. Konstitutiv für die studentische Identität waren u.a. die Zugehörigkeit zur peergroup und das Bewusstsein eines eigenen Standes. Der Selbstvergewisserung als Gruppe bzw. Stand, die oft über eine demonstrative Abgrenzung von anderen Gruppen hergestellt wurde, dienten neben den akademischen Initiationsritualen auch symbolische Ausdrucksformen wie Kleidung und Bewaffnung, die Entwicklung einer eigenen Studentensprache, gemeinsames Essen und Trinken, die Ausprägung einer spezifisch studentischen Freizeit- und Geselligkeitskultur und nicht zuletzt die zahlreichen, mehr oder weniger ritualisiert ablaufenden studentischen Händel. Ausgehend von diesen Erkenntnissen rückten die Studenten und ihre Konfliktkultur, erweitert um Aspekte spezifisch studentischer Freizeitgestaltung und Geselligkeit, in der zweiten Förderphase ins Zentrum des Projektinteresses. Besonderes Augenmerk galt den Auswirkungen der zeitgenössischen Geschlechterkonzeptionen, hier insbesondere der Vorstellungen von Männlichkeit und männlicher Ehre, auf das konkrete Konfliktverhalten und den Einsatz expressiv-symbolischer Praktiken der Konfliktaustragung.

Ausgehend von der Bedeutung, die dem Tragen und dem Einsatz von Waffen in Teilen der männlichen Bevölkerung der Universitätsstadt Freiburg im Breisgau zukamen, hat sich das Projekt entschlossen, den Soldaten und damit derjenigen Gruppe, für die der Waffenbesitz konstitutiv war, eine eigene Untersuchung zu widmen. Das Dissertationsprojekt von Urte Evert (begonnen 2003) fragt nach der symbolischen Bedeutung der Waffe für den Soldaten und die soldatisch-männliche Identität in zeitlich übergreifender Perspektive (16.-19. Jahrhundert). Für die frühe Neuzeit stützt sich die Arbeit exemplarisch auf die im Stadtarchiv Münster überlieferten Akten, in denen Soldaten in Konflikte verwickelt waren.

Neben der Eingabe und Verschlagwortung von schriftlichen Quellen in einer "Konfliktdatenbank" hat das Projekt im zweiten Förderzeitraum eine Bilddatenbank eingerichtet, in die in einem ersten Schritt insbesondere bildliche Darstellungen von Konflikten aus der Frühen Neuzeit eingespeist und verschlagwortet wurden. Das bisherige Bildcorpus beinhaltet insbesondere Bildquellen aus den Kupferstichkabinetten der Veste Coburg, der Albertina Wien sowie der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, die die Projektleiterin bei mehreren Arbeitsaufenthalten in Berlin, Coburg und Wien erhoben hat.

Projektdauer:

seit 01.01.2000

Drittmittelgeber:

DFG

Beteiligte Wissenschaftler:

T. Braun M.A., U. Evert (geb. Allkämper) M.A., Dr. B. Krug-Richter (Co-Leiterin), E. Liermann M.A., Prof. Dr. R.-E. Mohrmann (Leiterin), S. Scharte M.A.

Veröffentlichungen:

Allkämper, U.: "Grausam ermordet im Kampf um ihre Tugend...". Volkskundliche Aspekte eines Sexualmordes im Münsterland des späten 19. Jahrhunderts, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 48, 2003, S. 55-84.

Beuke, A.: "In guter Zier und Kurtzweil bey der Naßen angetastet" - Aspekte des Konfliktaustrags in der Frühen Neuzeit, in: B. Krug-Richter und R.-E. Mohrmann (Hgg.), Praktiken des Konfliktaustrags in der Frühen Neuzeit (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496, 6), Münster 2004, S. 119-155.

--: Diebe im Münsterland. Pferdediebstahl und andere Beschaffungskriminalität vor und während des Dreißigjährigen Krieges, in: Westfälische Forschungen 54, 2004, S. 57-98.

Evert, U.: Fußspuren, Blut und Samenflecken. Polizeiliche Ermittlungsarbeit am Beispiel eines Sexualmordes im Münsterland des späten 19. Jahrhunderts, in: Westfälische Forschungen 54, 2004, S. 177-207.

Krug-Richter, B.: Weibergeschwätz? Zur Geschlechtsspezifik des Geredes in der Frühen Neuzeit, in: D. Bischoff und M. Wagner-Egelhaaf (Hgg.), Weibliche Rede - Rhetorik der Weiblichkeit. Studien zum Verhältnis von Rhetorik und Geschlechterdifferenz, Freiburg 2003, S. 301-319.

--: Von nackten Hummeln und Schandpflastern. Formen und Kontexte von Rauf- und Ehrenhändeln in der westfälischen Gerichtsherrschaft Canstein um 1700, in: M. Eriksson und B. Krug-Richter (Hgg.): Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (16.-19. Jh.) (Potsdamer Studien zur Geschichte der ländlichen Gesellschaft, 2), Köln 2003 [u.a.], S. 269-307.

--/ Eriksson, M.: Streitkulturen. Eine Einführung, in: Diess. (Hgg.): Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (Potsdamer Studien zu Geschichte der ländlichen Gesellschaft, 2), Köln [u.a.] 2003, S. 1-16.

--: Ländliche Gesellschaft zwischen adliger Gerichtsbarkeit und dörflicher Sozialkontrolle. Die westfälische Grund- und Gerichtsherrschaft Canstein im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Habilitationsschrift (masch.), Univ. Münster 2003.

--: Das Privathaus als Wirthaus. Zur Öffentlichkeit des Hauses in Regionen mit Reihebraurecht, in: S. Rau und G. Schwerhoff (Hgg.): Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit (Norm und Struktur), Köln [u.a.] 2004, S. 99-117.

--: Von Messern, Mänteln und Männlichkeit. Aspekte studentischer Konfliktkultur in Freiburg im Breisgau in der Frühen Neuzeit, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 4, 2004, S. 26-52.

--: Peasants on trial? Village conflicts between local social control and manorial court, in: K. Sundberg, T. Germundsson and K. Hansen (eds.), Modernisation and Tradition. European Local and Manorial Societies 1500-1900, Lund 2004, pp. 351-373.

--: Von rechten und unrechten Taten. - Eine Einführung, in: Westfälische Forschungen 54, 2004, S. 1-17.

--: "Mordsache" Canstein 1677. Formen und Kontexte adliger Konfliktkultur im frühneuzeitlichen Westfalen, in: Westfälische Forschungen 54, 2004, S. 121-143.

--/ Reinke, H. (Hgg.): Themenschwerpunkt: Von rechten und unrechten Taten. Zur Kriminalitätsgeschichte Westfalens von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert (Westfälische Forschungen 54, 2004, S. 1-277).

-- : Du Bacchant, quid est grammatica? Konflikte zwischen Studenten und Bürgern im frühneuzeitlichen Freiburg/Br., in: Dies. und R-E. Mohrmann (Hgg.), Praktiken des Konfliktaustrags in der Frühen Neuzeit (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496, 6), Münster 2004, S. 79-103.

--/ Mohrmann, R.-E. (Hgg.): Praktiken des Konfliktaustrags in der Frühen Neuzeit (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496, 6), Münster 2004.

Mohrmann, R.-E.: Nachlaßinventare - Quellenkritik und Forschungsfragen, in: P. Fassl und R. Kießling (Hgg.), Volksleben im 19. Jahrhundert. Studien zu den bayerischen Physikatsberichten und verwandten Quellen, Augsburg 2003, S. 199-210.

--: Volkskundliche Sachkulturforschung, in: Kwartalnik Historii Materialnej nr. 3-4, 2002 (erschienen 2003).

--: Flinte, Hund und grüner Rock - was macht einen Förster aus? in: Th. Hengartner und B. Schmidt-Lauber (Hgg.), Leben - Erzählen, Festschrift für Albrecht Lehmann, Berlin 2004, S. 277-306.

--: Volkskunde 1996-2002 (Sammelberichte, Allgemeiner Teil), in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 140, 2004, S. 825-905.

--: Konfliktrituale im Bild der frühen Neuzeit, in: H. Gerndt (Hg.), Die Volkskunde als Bildwissenschaft, München 2005 (im Druck).

--: Zuneigung und Abneigung - Kultureller Austausch im frühneuzeitlichen Europa, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2005 (= Festschrift für Helge Gerndt und Klaus Roth) (im Druck).

 

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