Abteilung Neuere deutsche Literatur
"Seelenzeichen". Literatur und Emotionen im 17. und 18. Jahrhundert Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf
An der Schwelle zum 18. Jahrhundert wird das frühneuzeitliche Affektmodell, das von einem humoralpathologischen Verweiszusammenhang zwischen Körper und
Affektzuständen ausging, unter dem Einfluss einer modernen, auf empirische Verifikation ausgerichteten Wissenschaft zunehmend brüchig. Die zuerst von
Descartes formulierte Annahme, innere Emotionen seien Resultate der Selbstwahrnehmungen der Seele, verlegte den Ursprung seelischen Erlebens vom Körper in die
Imagination. Damit zeigt es sich als besonders attraktiv für die Literatur, wird doch mit der Einbildungskraft eine für die Literatur des 18. Jahrhunderts konstitutive
Größe angesprochen. Die Habilitationsschrift untersucht aus kulturwissenschaftlicher Perspektive, inwiefern der Literatur im 17. und 18. Jahrhundert die Aufgabe
zukam, eine eigene Sprache des Seelischen' zu entwickeln. Indem die Literatur zum Orientierungsmodell des Emotionalen avanciert, ist sie zugleich maßgeblich an der
Erfindung des Psychischen zu Ende des 18. Jahrhunderts beteiligt.