Patientenbezogene klinische Forschung
Antimikrobielle Therapie der parodontalen Biofilminfektion
Die mikrobiologische Dynamik nach Parodontitistherapie wurde bisher nur unzureichend untersucht. Meist
konzentrierten sich die Arbeiten nur auf das subgingivale Habitat. In der Mundhöhle lassen sich aber
neben diesem weitere wie supragingivale, mukosale und saliväre Habitate unterscheiden. Potentielle
bisher nicht untersuchte extraorale Habitate sind in der Nasenschleimhaut, äußeren
Gehörgang und Konjunktiven zu vermuten.In 35 Patienten mit chronischer Parodontitis wurde die
Prävalenz von Actinobacillus actinomycetemcomitans (Aa), Porphyromonas
gingivalis (Pg), Eikenella corrodens (Ec), Tanerella forsythensis (Tf),
Prevotella intermedia (Pi), Prevotella nigrescens (Pn) and Treponema denticola
(Td) vor und 6 Wochen, 3 und 6 Monate nach Parodontitistherapie untersucht. Hierzu wurden supra-
und subgingivale Plaqueproben, Speichelproben, Abstriche der Wangenschleimhaut, Rachen, Zunge und
Tonsillen, Nase, Augen und Ohren genommen und mittels PCR untersucht. Die Therapie reduzierte die Anzahl
der mit den Keimen infizierten subgingivalen Habitate nur unwesentlich. Jedoch stieg die Detektionsfrequenz
von Tf, Td, Ec, Pi und Pn supragingival, von Pg, Td und
Pn an den intraoralen Schleimhäuten und von allen mit Ausnahme von Aa im
Speichel über den 6-monatigen Untersuchungszeitraum an. Td war der einzige
parodontopathogene Erreger der extraoral detektiert werden konnte. In einer anderen Untersuchung zur
Prävalenz von Treponema spp. in verschiedenen intraoralen Habitaten wurden ähnliche
Ergebnisse gefunden. Nach einer transienten Reduktion von T. socranskii und T. maltophilum im
subgingivalen Biofilm direkt nach der Therapie, kam es über einen Zeitraum von zwei Jahren zum Anstieg
der Prävalenz der untersuchten Treponema spp. in der Mundhöhle. Die Ergebnisse dieser
Arbeiten deuten darauf hin, dass ein supra- und subgingivales Debridement zu einer intraoralen Dissemination
parodontopathogener Keime führt.
Die Rolle der einzelnen, die Progredienz von Parodontitiden beeinflussenden Faktoren wurde bisher vorwiegend in monovariaten Untersuchungen
bewertet und Informationen über den relativen Einfluss der einzelnen Faktoren auf das Therapieergebnis
fehlen weitestgehend. In einem multivariaten Analyseansatz wurde deshalb in einem Patientenkollektiv
Prädiktoren für die Stabilität des parodontalen Faserapparates identifiziert. Bei Zähnen
mit initial hohen Taschensondierungstiefen (= 7 mm) war die adjuvante antimikrobielle Therapie der
wichtigste Prädiktor für die Attachmentstabilität (ß-Gewicht ± SD: 0,37 ± 0,17; P>0,05). Für Zähnen mit Sondierungstiefen von = 6 mm wurde der Nachweis
der Antikörperreaktivität gegen ein 110 kD- Protein von Actinobacillus
actinomycetemcomitans identifiziert (ß-Gewicht ± SD: 0,36 ± 0,17; P>0,05). Nach 24
Monaten hatten die Patienten mit adjuvanter antimikrobieller Therapie an Stellen mit initialer Sondiertiefe von =
7 mm signifikant häufiger Attachmentgewinne von mindestens 2 mm (37 % der Stellen) und
signifikant weniger Stellen mit Attachmentverlusten von 2 mm oder mehr (8 %). Im Gegensatz
dazu zeigten Patienten nach mechanischen Debridement allein nur an 7 % dieser Stellen
Attachmentgewinne aber an 19 % Attachmentverluste. An Stellen mit initialer Taschensondierungstiefen
von 0-3 mm oder 4-6 mm konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden
Therapiearmen gefunden werden. Von einer auf die Hauptpathogene ausgerichteten, spezifischen, adjuvanten
antimikrobiellen Therapie scheinen vor allem schwer an Parodontitis erkrankte Zähne mit initial hohen
Sondierungstiefen zu profitieren, wohingegen bei geringeren Taschensondierungstiefen die antimikrobielle
Therapie keinen zusätzlichen Nutzen zeigt.
Aufgrund des sehr unterschiedlichen Vorkommens parodontopathogener Bakterien bei
Parodontitispatienten lassen sich Informationen aus bisherigen Arbeiten nicht zur Wahl eines spezifischen
Antibiotikums umsetzen. Deshalb wurden die subgingivalen Bakterienkomplexe von 6 Erregern (Actinobacillus
actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Tanerella forsythensis, Eikenella corrodens, Prevotella
intermedia, Prevotella nigrescens) mit den publizierten MHK90-Werten verschiedener Antibiotika korreliert.
Anschließend wurde an Hand der jeweiligen Antibiotikakonzentration in der Gingivalflüssigkeit die
optimalste Antibiotikatherapie ermittelt. Es konnten in dem untersuchten Patientenkollektiv
(n = 774) neun
Haupt-, und 38 Nebenbakterienkomplexe unterschieden werden. Um diese 46 Bakterienkomplexe spezifisch
antibiotisch zu therapieren sind 10 unterschiedliche Antibiotikaregimes erforderlich. Die Ergebnisse dieser
Studie zeigen, dass für eine möglichst spezifische Antibiotikatherapie eine mikrobiologische
Analyse notwendig ist. Die empirische Antibiotikaauswahl ist offensichtlich nicht ausreichend.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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