Forschungsbericht 1999-2000   
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"Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche
Wertesysteme vom Mittelalter bis zur
französischen Revolution"

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Sonderforschungsbereiche
Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution"
Teilprojekt B4/Prof. Dr. Volker Honemann
 


Die Darstellung der Gesellschaft und ihrer Wertvorstellungen in
deutscher didaktischer Literatur des Mittelalters

Das Teilprojekt untersucht, welches Bild die deutsche didaktische Literatur des hohen und späten Mittelalters von der menschlichen Gesellschaft im Ganzen oder von Teilen derselben, von der Interaktion zwischen einzelnen Individuen und Gruppen (Ständen) und von den von ihr artikulierten Wertvorstellungen entwirft. Beschrieben werden soll so der Beitrag vor allem der volksprachlichen lehrhaften Literatur zu dem Prozeß der Kommunikation über Gesellschaft und ihre Wertvorstellungen. Die Untersuchung konzentriert sich auf drei für die Themenstellung besonders wichtige Werke bzw. Werkgruppen: Für den Beginn des 13. Jahrhunderts auf den 'Wälschen Gast' des Tomasîn von Zerklaere, für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts auf das Schachbuch des Jacobus de Cessolis und seine deutschen Übersetzungen, vor allem diejenige des Konrad von Ammenhausen, für das 15. Jahrhundert auf herausragende Texte 'bürgerlicher' Didaxe aus deutschen Städten. Da alle diese Texte bis an das Ende des Mittelalters weiterwirken, sollen sie als drei wesentliche Elemente einer literarischen Reihe aufgefaßt werden, durch deren Beschreibung Kontinuität und Wandel in der Kommunikation über Gesellschaft und ihre Wertvorstellungen im Laufe dreier Jahrhunderte exemplarisch verdeutlicht werden sollen. Im Zentrum steht dabei die Frage, was die Texte zum Leben und insbesondere zum Zusammenleben der Menschen in dieser Welt zu sagen haben und wie sie ihre Lehre vermitteln. Von besonderem Interesse ist dabei, daß auch die frühen Texte bis ans Ende des Mittelalters rezipiert wurden, was einen Vergleich der Aussagen der drei Werkgruppen ermöglicht. Die Texte sind hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Form und der sich in ihrer langen Lebenszeit wandelnden Gebrauchsbedingungen zu untersuchen. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Erfassung und Analyse der Elemente symbolischer Kommunikation und ihrer Funktion in den Texten; diese sind vor allem in den Schachbüchern und in den spätmittelalterlichen didaktischen Allegorien (Johannes Rothe, Hermann Bote) reich vertreten (z. B. Schachbrett als Symbol für die 'Welt', symbolische Gestaltung der Schachfiguren als Repräsentanten bestimmter Stände). Zur Herausarbeitung dieses Aspektes sollen Vergleiche dienen, die die Grenze, welche sich aus der Beschränkung auf die Literatur ergibt, überschreiten helfen: Zum einen durch eine Analyse des Auftretens der Schach- und Kartenspielmotivik in der 'schönen Literatur', zum anderen durch die Untersuchung der Stände und Tugendadelsthematik in den Fazetien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Eine zweite Grenzüberschreitung macht sich die Existenz von 'Realien' zunutze: Da viele der Texte Illustrationen enthalten (z.B. der 'Wälsche Gast' und vor allem die Schachbücher) und zudem Realien in Form erhaltener Schachfiguren und Spielkarten zur Verfügung stehen, die spezifische Deutung gesellschaftlicher Phänomene bieten, sollen diese in die Untersuchung einbezogen werden.

Die Arbeit des ersten Jahres diente zum einen der inhaltlichen Erschließung der Hauptwerke, zum anderen der genauen Bestimmung des Textkorpus (so vor allem für das 15. Jahrhundert; für die didaktische Literatur des frühen 13. Jahrhunderts erfolgt eine Beschränkung auf den 'Wälschen Gast' des Tomasîn). Des weiteren wurde damit begonnen, die handschriftliche Überlieferung der Schachbücher (lateinisch und deutsch, ca. 100 Handschriften) zu erfassen, um eine Antwort auf die Frage zu finden, für wen diese Texte bestimmt waren und wer sie gelesen hat.

In Vorträgen des Projektleiters wurde der Forschungsansatz an einer Reihe von Universitäten bekannt gemacht und diskutiert: Berlin (FU), Erlangen, Göttingen, Groningen, Leuven, London (King's College), Tübingen; mit der Universität Leuven wurde eine engere Forschungskooperation angebahnt (Beispiel: der Schachtraktat des Jacobus de Cessolis in einem mittelniederländischen Rechtsbuch). Das Schachbuch des Konrad von Ammenhausen sowie Texte bürgerlicher Didaxe wurden in Lehrveranstaltungen des SS 2000 und des WS 2000/2001 behandelt.

Beteiligte Wissenschaftler:

S. Höfer, Prof. Dr. V. Honemann (Leiter), S. Kohushölter, Dr. N. Miedema, M. Ostermann, O. Plessow, Dr. R. Suntrup, M. Temmen

Veröffentlichungen:

Honemann, V.: Formen symbolischer Kommunikation in deutscher Literatur des Mittelalters, in: Mediävistik, 2001 (im Druck)

--,: Gesellschaftliche Mobilität in Dichtungen des deutschen Mittelalters, in: Zwischen Adel und Nichtadel (Vorträge und Forschungen, 53), Stuttgart 2001 (im Druck)

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-10-18 ---- 2001-11-30