Forschungsbericht 1997-98   
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Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Institut für Humangenetik
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Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD): Molekularbiologische und zellbiologische Ursachenforschung

Die Untersuchung der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD Typ1 und 2) hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Forschungsschwerpunkte im Institut für Humangenetik entwickelt. Dieses Projekt beinhaltet in zunehmendem Maße neben der Charakterisierung mutierter Gene die Analyse der Expression und Funktion der humanen und murinen Polycystine 1 und 2, der Genprodukte der entsprechenden Gene. Etwa 10% aller dialysepflichtigen Patienten mit terminalem Nierenversagen leiden an der ADPKD. Sie ist damit eine der häufigsten erblichen monogenen Erkrankungen, deren Inzidenz weltweit etwa 1:1000 beträgt. Zwar ist für die Erkrankung die langsam fortschreitende Vergrößerung von Zysten in beiden Nieren charakteristisch - diese führt auch bei der Mehrzahl der Betroffenen im höheren Lebensalter zum vollständigen Nierenversagen - aber prinzipiell handelt es sich bei der ADPKD um eine systemische Erkrankung. Die häufigsten Begleiterscheinungen sind arterieller Bluthochdruck, Insuffizienz der Mitral- und Aortenklappen, intestinale Divertikel und cerebrovaskul re Aneurysmen. Klinisch zeigt die ADPKD sowohl bezüglich der renalen als auch der extrarenalen Krankheitssymptome eine erhebliche Variabilität, für die unter anderem genetische Ursachen verantwortlich sind; mittlerweile konnte bewiesen werden, daß Defekte in mindestens drei verschiedenen Genen das Krankheitsbild der ADPKD verursachen können. Zwei dieser Gene konnten kürzlich identifiziert und charakterisiert werden. Bei etwa 85% aller ADPKD-Patienten liegt eine Mutation in dem PKD1-Gen vor und in 14% der Patienten ist das PKD2-Gen defekt. Das PKD1-Gen kodiert das 4302 Aminosäuren lange Polycystin 1, dessen Primärstruktur vermuten läßt, daß es sich um ein hochgradig glykolisiertes Transmembranprotein handelt, das über eine Vielzahl unterschiedlicher Domänen verfügt, die extrazelluläre Protein-Protein-Wechselwirkungen ermöglichen. Das PKD2-Gen kodiert für das 968 Aminosäuren große Polycystin 2, das ebenfalls ein Transmembranprotein ist. Aufgrund von Strukturanalysen wird angenommen, daß Polycystin 2 an der Bildung eines Ionenkanals beteiligt ist, dessen Aktivität möglicherweise von Polycystin 1 reguliert wird. Darüber hinaus wird postuliert, daß beide Polycystine Teil desselben oder paralleler zellulärer Signalübertragungswege sind, die für die korrekte Ausbildung der Nephrone und anderer Gewebestrukturen von großer Bedeutung sind. Unsere Analysen umfaßten in den vergangenen Jahren hauptsächlich die Charakterisierung der humanen und der murinen PKD1 und PKD2 Gene, eine umfangreiche Mutationsanalyse der humanen Gene in ADPKD-Patienten, eine vergleichende Expressionsstudie von Pkd1 und Pkd2 an Maus-Embryonen und die Etablierung eines Pkd2-LacZ Maus-Modells. Charakterisierung der murinen Pkd2-cDNA und Isolierung und Charakterisierung des entsprechenden genomischen Gens Durch eine vergleichende Recherche mit der menschlichen PKD2-cDNA Sequenz wurden in der EST-Bank des I.M.A.G.E. Konsortiums zwei nicht überlappende murine cDNA-Klone identifiziert. Der fehlende Bereich der Pkd2-cDNA wurde mittels RT-PCR erstellt und kloniert. Die Sequenzierung dieser cDNA-Klone ergab die 5129 bp lange Konsensussequenz des murinen Pkd2-Transkriptes (EMBL/GenBank AC No.Y13278). Das Gen zeigt im kodierenden Bereich eine 85%-ige Homologie zu dem menschlichen Gen und es kodiert ein 967 Aminosäuren langes Protein, dessen Proteinsequenz zu etwa 90% mit der des humanen Proteins übereinstimmt. Zur Analyse der genomischen Struktur des Pkd2-Gens wurden aus einer entsprechenden genomische BAC-Bank insgesamt sieben BAC-Klone, die jeweils etwa 150-200kb lang waren, isoliert. Die anschließende Detailanalyse der Genstruktur läßt darauf schließen, daß das gesamte Gen mehr als 35 kb lang ist. Das murine Gen ist analog zum menschlichen PKD2-Gen auf 15 Exons verteilt. Die chromosomale Position des Gens auf Maus-Chromosom 5 wurde durch FISH-Analysen und durch Kopplungsanalyse eines intragenen Markers exakt bestimmt. Vergleichende Expressionsstudien von Pkd1 und Pkd2 an Maus-Embryonen Zur Analyse der Ko-Expression der Pkd1- und Pkd2-Gene wurden in-situ Hybridisierungen an Mausembryonen mit entsprechenden Pkd1- und Pkd2-cDNA Sonden durchgeführt. Die Analysen zeigen, daß die Expression beider Gene in vielen Geweben vergleichbar bzw. identisch ist. Die stärkste Expression beider Gene konnte während der Bildung von Substrukturen an der Schnittstelle von Mesenchym und Epithel und in Bindegewebsstrukturen nachgewiesen werden. Im adulten Stadium war die Expression drastisch vermindert mit vorwiegender Expression von Pkd2 im Nierengewebe und in geringerem Ausmaß in Lunge, Leber und Hirn. Die Daten lassen insgesamt vermuten, daß die Polycystine für die Bildung und Stabilität der Bindegewebe notwendig zu sein scheinen, und daß die ADPKD als systemische Erkrankung auch die Funktion des Bindegewebes beeinträchtigt. Herstellung der Pkd2-LacZ-Maus Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit dem Institut für Experimentelle Pathologie haben wir kürzlich als Tiermodell für die ADPKD Typ2 und zur detaillierten Beschreibung und Analyse der Funktion und der Expressionsorte des murinen Polycystins2 eine "Pkd2-knock-out/LacZ-knock-in-Maus" erstellt. Hierzu wurde ein Teil des murinen Pkd2-Gens mittels eines Austausch-Vektors durch das LacZ-Gen ersetzt. Der exakte Austausch durch homologe Rekombination von Pkd2 durch das LacZ-Gen führt nicht nur zum Ausschalten des Pkd2-Gens, sondern erlaubt auch eine genaue zelluläre Lokalisation der Genexpression zu jedem Entwicklungszeitpunkt des Mäuseembryos und des adulten Tieres. Die homologe Rekombination mit dem Genom der embryonalen Stammzellen R1 wurde nach etablierten Standardprotokollen durchgeführt. Fünf von einander unabhängige ES-Klone wurden in Blastozysten injiziert, diese anschließend in Mäuse überführt und die resultierenden männlichen Chimären auf ihre Keinbahntransmission hin getestet. Drei Chimären zeigten Keimbahntransmission des veränderten Gens, und derzeit werden sechs unabhängige Linien mit verschiedenem genetischen Hintergründen (129,B6; 129; B6) erzeugt. Analyse der Pkd2-LacZ-Maus Erste Analysen des Expressionsmuster von Pkd2, nachgewiesen durch LacZ-Anfärbung von Pkd2-LacZ-heterozygoten Embryonen verschiedener Entwicklungsstadien, zeigen, daß es mit den durch in-situ Hybridisierung erhobenen Daten übereinstimmt. Analysen der homozygot mutierten Pkd2-LacZ-Mäuse zeigen eine Fehlentwicklung des Bindegewebes. Genauere Analysen durch morphologische und histologische Analysen, insbesondere der Nierenentwicklung, sind derzeit in Vorbereitung. Mutationsanalyse des humanen PKD1 Gens Nach der Identifikation und Charakterisierung des PKD1 Gens war es möglich, eine Mutationsanalyse in diesem großen Gen zu beginnen. Aufgrund der komplexen Struktur des Gesamtgens (ungewöhnlich hoher GC-Gehalt; große Teile des Gens sind mehrfach, nahezu identisch dupliziert) wurden für die unterschiedlichen Bereiche des Gens individuelle Analysestrategien entwickelt. A) In dem nur einmal vorhandenen Bereich des Gens (Exon 34 bis Exon 46) konnte in einer Gruppe von insgesamt 48 PKD1 Indexpatienten aus Bulgarien und Australien zunächst durch einen Vorscreen mittels SSCP (single strand conformational polymorphism) bei 9 dieser Patienten eine krankheitsverursachende Mutation, die ein trunkiertes Protein verursacht, identifiziert werden. Der überwiegende Teil dieser Mutationen wurde nur einmalig identifiziert und es sind keine aussagekräftigen Korrelationen zwischen der Mutationsart und dem heterogenen Phänotyp der Erkrankung möglich. Neben diesen Mutationen wurde eine große Zahl von Polymorphismen identifiziert deren Auswirkungen auf die Proteinfunktion bzw. deren Verteilungsmuster derzeit genauer analysiert werden. B) Da der Bereich der Exons 1 bis 33 des PKD1 Gens in drei homologen Gene nahezu identisch dupliziert sind, ist die Mutationsanalyse in diesem Abschnitt ausgesprochen kompliziert. Zur Identifizierung der geringen Sequenzunterschiede zwischen diesen homologen Genen mußten daher zunächst alle vier Gene aus einer genomischen BAC-Bank isoliert und zumindest teilweise sequenziert werden. Die Sequenzunterschiede wurden anschließend genutzt, um für die Exons 6 - 14 genspezifische Amplifikationsformate zu erstellen. Für die anschließende Mutationsanalyse wurde erstmals das sogenannte ddF (dideoxy-fingerprinting)-Verfahren eingesetzt. Die Validität des von uns entwickelten Verfahrens konnte bewiesen werden durch Analyse eines kleinen ausgewählten Patientenkollektivs; bei insgesamt 15 PKD1-Patienten konnten insgesamt vier non-sense Mutationen identifiziert werden. Mutationsanalyse des PKD2 Gens Mit fünf PKD2-Patienten aus unserem bulgarischen Kollektiv haben wir an einer einer kollaborativen Untersuchung von insgesamt 35 europäischen PKD2 Patienten teilgenommen. In dieser Studie wurde das gesamte PKD2 Gen systematisch mittels der SSCP Technik untersucht. Bei drei der fünf Patienten konnte erfolgreich krankheitsverursachende non-sense Mutationen gefunden werden. Bei der Erweiterung dieser Analyse durch die ddF Technik konnte noch eine weitere Mutation identifiziert werden. Ausschlusskartierung des PKD3 Gens Durch umfangreiche Kopplungsanalysen konnten in dem gesamten ADPKD-Patientenkollektiv zwei Familien erkannt werden, deren Erkrankung mit Sicherheit nicht durch Mutationen in dem PKD1 oder PKD2-Gen verursacht wurden. Bei diesen Patienten, deren klinische Symptomatik sehr ähnlich ist, ist sehr wahrscheinlich ein Defekt in dem PKD3-Gen ursächlich für die Erkrankung. Zur Feststellung der chromosomalen Position dieses Gens wurde eine sogenannte Ausschlußkartierung vorgenommen. Bei dieser Untersuchung konnten mehr als 68% des menschliches Genoms als Genort für dieses PKD3-Gen ausgeschlossen werden. Die wahrscheinlichsten chromosomalen Loci für das PKD3 Gen liegen danach entweder auf Chromosom 4q, 11p oder 22q. Eine genauere Kartierung ist aufgrund der geringen Größe der PKD3-Familien bisher nicht möglich.

Drittmittelgeber:

Deutsche Forschungsgemeinschaft, Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung (IZKF)

Beteiligte Wissenschaftler:

PD Dr. B. Dworniczak, Dipl.-Biol. P. Pennekamp, Dr. N. Bogdanova, Dr. A. Markov, M. McCluskey, Dipl.-Biol. K. Hackmann, Prof. Dr. J. Horst

Veröffentlichungen:

Pennekamp, P., N. Bogdanova, A. Markoff, H. Hameister, J. Horst, B. Dworniczak: Characterization of the murine Polycystic Kidney Disease (Pkd2) gene. Mammalian Genome 9: 749-752, 1998

Todorov, V., N. Bogdanova: Cystic diseases of the kidneys, a review. Urologia 2:(4):146-147, 1997

Todorov, V., N. Bogdanova: Cystic diseases of the kidneys, a review. Urologia 3(1):30-33, 1997

Veldhusien, B., J.J. Saris, S. de Haij, T. Hayashi, D.M. Reynolds, T. Mochizuki, R. Ellis, R. Fossdal, N. Bogdanova, et al.: A spectrum of mutations in the second gene for Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease (PKD2). Am J Hum Genet 61:547-555, 1997

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 1999-09-20