Forschungsbericht 1997-98 | |
Institut für Humangenetik
Vesaliusweg 12-14 48149 Münster Tel. (0251) 83-55401 Fax: (0251) 83-56095 e-mail: jhorst@uni-muenster.de WWW: http://www.uni-muenster.de/ Direktor: Prof. Dr. Jürgen Horst | |
Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät Institut für Humangenetik Das ganze Institut | ||||
Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD): Molekularbiologische und zellbiologische Ursachenforschung
Die Untersuchung der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung
(ADPKD Typ1 und 2) hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten
Forschungsschwerpunkte im Institut für Humangenetik entwickelt. Dieses
Projekt beinhaltet in zunehmendem Maße neben der Charakterisierung mutierter
Gene die Analyse der Expression und Funktion der humanen und murinen Polycystine
1 und 2, der Genprodukte der entsprechenden Gene. Etwa 10% aller dialysepflichtigen
Patienten mit terminalem Nierenversagen leiden an der ADPKD. Sie ist damit eine der
häufigsten erblichen monogenen Erkrankungen, deren Inzidenz weltweit etwa
1:1000 beträgt. Zwar ist für die Erkrankung die langsam fortschreitende
Vergrößerung von Zysten in beiden Nieren charakteristisch - diese
führt auch bei der Mehrzahl der Betroffenen im höheren Lebensalter zum
vollständigen Nierenversagen - aber prinzipiell handelt es sich bei der ADPKD
um eine systemische Erkrankung. Die häufigsten Begleiterscheinungen sind
arterieller Bluthochdruck, Insuffizienz der Mitral- und Aortenklappen, intestinale
Divertikel und cerebrovaskul re Aneurysmen. Klinisch zeigt die ADPKD sowohl
bezüglich der renalen als auch der extrarenalen Krankheitssymptome eine
erhebliche Variabilität, für die unter anderem genetische Ursachen
verantwortlich sind; mittlerweile konnte bewiesen werden, daß Defekte in
mindestens drei verschiedenen Genen das Krankheitsbild der ADPKD verursachen
können. Zwei dieser Gene konnten kürzlich identifiziert und
charakterisiert werden. Bei etwa 85% aller ADPKD-Patienten liegt eine Mutation in
dem PKD1-Gen vor und in 14% der Patienten ist das PKD2-Gen defekt. Das
PKD1-Gen kodiert das 4302 Aminosäuren lange Polycystin 1, dessen
Primärstruktur vermuten läßt, daß es sich um ein hochgradig
glykolisiertes Transmembranprotein handelt, das über eine Vielzahl
unterschiedlicher Domänen verfügt, die extrazelluläre
Protein-Protein-Wechselwirkungen ermöglichen. Das PKD2-Gen kodiert
für das 968 Aminosäuren große Polycystin 2, das ebenfalls ein
Transmembranprotein ist. Aufgrund von Strukturanalysen wird angenommen,
daß Polycystin 2 an der Bildung eines Ionenkanals beteiligt ist, dessen
Aktivität möglicherweise von Polycystin 1 reguliert wird. Darüber
hinaus wird postuliert, daß beide Polycystine Teil desselben oder paralleler
zellulärer Signalübertragungswege sind, die für die korrekte
Ausbildung der Nephrone und anderer Gewebestrukturen von großer Bedeutung
sind. Unsere Analysen umfaßten in den vergangenen Jahren hauptsächlich
die Charakterisierung der humanen und der murinen PKD1 und PKD2 Gene, eine
umfangreiche Mutationsanalyse der humanen Gene in ADPKD-Patienten, eine
vergleichende Expressionsstudie von Pkd1 und Pkd2 an Maus-Embryonen und die
Etablierung eines Pkd2-LacZ Maus-Modells. Charakterisierung der murinen
Pkd2-cDNA und Isolierung und Charakterisierung des entsprechenden genomischen
Gens Durch eine vergleichende Recherche mit der menschlichen PKD2-cDNA
Sequenz wurden in der EST-Bank des I.M.A.G.E. Konsortiums zwei nicht
überlappende murine cDNA-Klone identifiziert. Der fehlende Bereich der
Pkd2-cDNA wurde mittels RT-PCR erstellt und kloniert. Die Sequenzierung dieser
cDNA-Klone ergab die 5129 bp lange Konsensussequenz des murinen
Pkd2-Transkriptes (EMBL/GenBank AC No.Y13278). Das Gen zeigt im kodierenden
Bereich eine 85%-ige Homologie zu dem menschlichen Gen und es kodiert ein 967
Aminosäuren langes Protein, dessen Proteinsequenz zu etwa 90% mit der des
humanen Proteins übereinstimmt. Zur Analyse der genomischen Struktur des
Pkd2-Gens wurden aus einer entsprechenden genomische BAC-Bank insgesamt sieben
BAC-Klone, die jeweils etwa 150-200kb lang waren, isoliert. Die anschließende
Detailanalyse der Genstruktur läßt darauf schließen, daß das
gesamte Gen mehr als 35 kb lang ist. Das murine Gen ist analog zum menschlichen
PKD2-Gen auf 15 Exons verteilt. Die chromosomale Position des Gens auf
Maus-Chromosom 5 wurde durch FISH-Analysen und durch Kopplungsanalyse eines
intragenen Markers exakt bestimmt. Vergleichende Expressionsstudien von Pkd1 und
Pkd2 an Maus-Embryonen Zur Analyse der Ko-Expression der Pkd1- und Pkd2-Gene
wurden in-situ Hybridisierungen an Mausembryonen mit entsprechenden Pkd1- und
Pkd2-cDNA Sonden durchgeführt. Die Analysen zeigen, daß die
Expression beider Gene in vielen Geweben vergleichbar bzw. identisch ist. Die
stärkste Expression beider Gene konnte während der Bildung von
Substrukturen an der Schnittstelle von Mesenchym und Epithel und in
Bindegewebsstrukturen nachgewiesen werden. Im adulten Stadium war die Expression
drastisch vermindert mit vorwiegender Expression von Pkd2 im Nierengewebe und in
geringerem Ausmaß in Lunge, Leber und Hirn. Die Daten lassen insgesamt
vermuten, daß die Polycystine für die Bildung und Stabilität der
Bindegewebe notwendig zu sein scheinen, und daß die ADPKD als systemische
Erkrankung auch die Funktion des Bindegewebes beeinträchtigt. Herstellung der
Pkd2-LacZ-Maus Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit dem Institut für
Experimentelle Pathologie haben wir kürzlich als Tiermodell für die
ADPKD Typ2 und zur detaillierten Beschreibung und Analyse der Funktion und der
Expressionsorte des murinen Polycystins2 eine
"Pkd2-knock-out/LacZ-knock-in-Maus" erstellt. Hierzu wurde ein Teil des murinen
Pkd2-Gens mittels eines Austausch-Vektors durch das LacZ-Gen ersetzt. Der exakte
Austausch durch homologe Rekombination von Pkd2 durch das LacZ-Gen führt
nicht nur zum Ausschalten des Pkd2-Gens, sondern erlaubt auch eine genaue
zelluläre Lokalisation der Genexpression zu jedem Entwicklungszeitpunkt des
Mäuseembryos und des adulten Tieres. Die homologe Rekombination mit dem
Genom der embryonalen Stammzellen R1 wurde nach etablierten Standardprotokollen
durchgeführt. Fünf von einander unabhängige ES-Klone wurden in
Blastozysten injiziert, diese anschließend in Mäuse überführt
und die resultierenden männlichen Chimären auf ihre
Keinbahntransmission hin getestet. Drei Chimären zeigten
Keimbahntransmission des veränderten Gens, und derzeit werden sechs
unabhängige Linien mit verschiedenem genetischen Hintergründen
(129,B6; 129; B6) erzeugt. Analyse der Pkd2-LacZ-Maus Erste Analysen des
Expressionsmuster von Pkd2, nachgewiesen durch LacZ-Anfärbung von
Pkd2-LacZ-heterozygoten Embryonen verschiedener Entwicklungsstadien, zeigen,
daß es mit den durch in-situ Hybridisierung erhobenen Daten
übereinstimmt. Analysen der homozygot mutierten Pkd2-LacZ-Mäuse
zeigen eine Fehlentwicklung des Bindegewebes. Genauere Analysen durch
morphologische und histologische Analysen, insbesondere der Nierenentwicklung, sind
derzeit in Vorbereitung. Mutationsanalyse des humanen PKD1 Gens Nach der
Identifikation und Charakterisierung des PKD1 Gens war es möglich, eine
Mutationsanalyse in diesem großen Gen zu beginnen. Aufgrund der komplexen
Struktur des Gesamtgens (ungewöhnlich hoher GC-Gehalt; große Teile des
Gens sind mehrfach, nahezu identisch dupliziert) wurden für die
unterschiedlichen Bereiche des Gens individuelle Analysestrategien entwickelt. A) In
dem nur einmal vorhandenen Bereich des Gens (Exon 34 bis Exon 46) konnte in einer
Gruppe von insgesamt 48 PKD1 Indexpatienten aus Bulgarien und Australien
zunächst durch einen Vorscreen mittels SSCP (single strand conformational
polymorphism) bei 9 dieser Patienten eine krankheitsverursachende Mutation, die ein
trunkiertes Protein verursacht, identifiziert werden. Der überwiegende Teil dieser
Mutationen wurde nur einmalig identifiziert und es sind keine aussagekräftigen
Korrelationen zwischen der Mutationsart und dem heterogenen Phänotyp der
Erkrankung möglich. Neben diesen Mutationen wurde eine große Zahl von
Polymorphismen identifiziert deren Auswirkungen auf die Proteinfunktion bzw. deren
Verteilungsmuster derzeit genauer analysiert werden. B) Da der Bereich der Exons 1
bis 33 des PKD1 Gens in drei homologen Gene nahezu identisch dupliziert sind, ist die
Mutationsanalyse in diesem Abschnitt ausgesprochen kompliziert. Zur Identifizierung
der geringen Sequenzunterschiede zwischen diesen homologen Genen mußten
daher zunächst alle vier Gene aus einer genomischen BAC-Bank isoliert und
zumindest teilweise sequenziert werden. Die Sequenzunterschiede wurden
anschließend genutzt, um für die Exons 6 - 14 genspezifische
Amplifikationsformate zu erstellen. Für die anschließende
Mutationsanalyse wurde erstmals das sogenannte ddF
(dideoxy-fingerprinting)-Verfahren eingesetzt. Die Validität des von uns
entwickelten Verfahrens konnte bewiesen werden durch Analyse eines kleinen
ausgewählten Patientenkollektivs; bei insgesamt 15 PKD1-Patienten konnten
insgesamt vier non-sense Mutationen identifiziert werden. Mutationsanalyse des PKD2
Gens Mit fünf PKD2-Patienten aus unserem bulgarischen Kollektiv haben wir an
einer einer kollaborativen Untersuchung von insgesamt 35 europäischen PKD2
Patienten teilgenommen. In dieser Studie wurde das gesamte PKD2 Gen systematisch
mittels der SSCP Technik untersucht. Bei drei der fünf Patienten konnte
erfolgreich krankheitsverursachende non-sense Mutationen gefunden werden. Bei der
Erweiterung dieser Analyse durch die ddF Technik konnte noch eine weitere Mutation
identifiziert werden. Ausschlusskartierung des PKD3 Gens Durch umfangreiche
Kopplungsanalysen konnten in dem gesamten ADPKD-Patientenkollektiv zwei
Familien erkannt werden, deren Erkrankung mit Sicherheit nicht durch Mutationen in
dem PKD1 oder PKD2-Gen verursacht wurden. Bei diesen Patienten, deren klinische
Symptomatik sehr ähnlich ist, ist sehr wahrscheinlich ein Defekt in dem
PKD3-Gen ursächlich für die Erkrankung. Zur Feststellung der
chromosomalen Position dieses Gens wurde eine sogenannte
Ausschlußkartierung vorgenommen. Bei dieser Untersuchung konnten mehr als
68% des menschliches Genoms als Genort für dieses PKD3-Gen ausgeschlossen
werden. Die wahrscheinlichsten chromosomalen Loci für das PKD3 Gen liegen
danach entweder auf Chromosom 4q, 11p oder 22q. Eine genauere Kartierung ist
aufgrund der geringen Größe der PKD3-Familien bisher nicht
möglich.
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Beteiligte Wissenschaftler:
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Hans-Joachim Peter