Forschungsbericht 1997-98   
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Direktor: Prof. Dr. Ulrich van Suntum

 
 
 
[Pfeile blau] Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Fachbereich 04 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen
Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik
 


Internationales Beschäftigungs-Ranking

In fast allen Industrieländern sind in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte auf dem Gebiet der monetären Stabilität erzielt worden. Innerhalb eines Jahrzehnts konnten die Inflationsraten im Durchschnitt mehr als halbiert werden. Insbesondere in einzelnen Ländern läßt sich der vollzogene Kurswechsel deutlich erkennen. Beispielsweise wies Portugal 1985 noch eine Inflationsrate von fast 20 Prozent auf, und Neuseeland lag mit rund 17 Prozent nur wenig darunter. Heute herrscht in beiden Ländern praktisch Preisniveaustabilität.

Der Kampf gegen die zum Teil hohe Arbeitslosigkeit scheint dagegen ungleich schwerer zu sein. So ist auch 1997 die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern hoch geblieben. Zwar hat sie sich seit ihrem Höchststand in den Jahren 1993 und 1994 um immerhin einen Prozentpunkt reduziert. Allerdings besteht für eine Entwarnung am Arbeitsmarkt noch kein Anlaß. Zum einen war die jüngste Entwicklung konjunkturell begünstigt und garantiert somit noch keine mittelfristige Besserung der Beschäftigungslage. Zum anderen war der Rückgang der aktuellen Arbeitslosenquote im wesentlichen auf Erfolge einzelner Länder zurückzuführen. Während beispielsweise in Deutschland die Arbeitslosenzahlen auf hohem Niveau verharren, sind andere Länder längst auf dem Weg der Besserung. So hat sich die Arbeitslosenquote gemessen an OECD-Standards in den Vereinigten Staaten in den vergangenen fünfzehn Jahren nahezu halbiert. Ende 1997 betrug sie nur noch durchschnittlich fünf Prozent. Auch Großbritannien und die Niederlande lagen mit 7,1 bzw. 5,5 Prozent erheblich besser als die alten Bundesländer mit 9,9 Prozent. Doch nicht nur bei den Arbeitslosenzahlen schneiden die Deutschen schlechter ab als viele führende Industrienationen, sondern auch bei den mittelfristigen Perspektiven, die Arbeitslosigkeit zu senken.

Die markanten Unterschiede im arbeitsmarktpolitischen Erfolg einzelner Länder, die auf nicht minder markante Unterschiede in der verfolgten Politik zurückzuführen sind, verdeutlichen indes, daß eine hohe Arbeitslosigkeit kein unabwendbares Schicksal ist. Will man klare Zusammenhänge zwischen Politik und Erfolg auf dem Arbeitsmarkt identifizieren, so darf man sich allerdings nicht einfacher Ländervergleiche in bezug auf einzelne Indikatoren bedienen, da die anhaltende Unterbeschäftigung insbesondere in vielen kontinentaleuropäischen Industriestaaten ein vielschichtiges Problem ist. Zwar sind solche Vergleiche in der politischen Diskussion beliebt, sie bleiben jedoch letztlich in einem hohen Grade willkürlich und werden den sehr unterschiedlichen Problemlagen in den betreffenden Ländern nur selten gerecht.

Zielsetzung des "Internationalen Beschäftigungs-Rankings" ist es daher mit Hilfe eines multikausalen Erklärungsansatzes für zwanzig Industrieländer zu bestimmen, welche Faktoren für die Unterschiede im beschäftigungspolitischen Erfolg dieser Länder seit 1980 entscheidend sind. Dieser Ansatz vermeidet die Schwächen einer eindimensionalen Betrachtungsweise, denn die Probleme der einzelnen Länder sind ebenso unterschiedlicher Natur wie die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die diese Länder jeweils zur Linderung der Beschäftigungsmisere ergriffen haben.

Einem internationalen Vergleich der Beschäftigungspolitik stellen sich jedoch methodische Probleme entgegen. Dies betrifft vor allem die Auswahl und Messung der vermuteten Wirkungsfaktoren. Schon in der theoretischen Diskussion sind die Ursachen der Unterbeschäftigung durchaus umstritten, zumindest was ihre relative Bedeutung betrifft, teilweise aber auch schon vom grundsätzlichen Denkansatz her. Hinzu kommt die Schwierigkeit, für eine Vielzahl von Ländern überhaupt entsprechend vergleichbare Daten zu finden; nicht einmal über die tatsächliche Höhe der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Ländern gibt es unumstrittene Daten. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß sich die Länder unter Umständen in unterschiedlichen konjunkturellen Situationen befinden. Es kann aber nicht darum gehen, möglicherweise nur kurzfristige Beschäftigungserfolge aufgrund einer günstigen Konjunktur zu bewerten, sondern entscheidend sind die mittelfristigen Perspektiven am Arbeitsmarkt. Wie gefährlich die Orientierung allein an vordergründigen Kennziffern sein kann, hat die Krise in Südostasien gezeigt, die auch viele namhafte Experten überrascht hat. Daher verfolgen wir hier weiterhin den Weg, neben den reinen Arbeitsmarktdaten auch solche Faktoren mit in die Bewertung einzubeziehen, die eher in mittel- und langfristiger Perspektive entscheidend für die beschäftigungspolitische Entwicklung sind.

Wir stützen uns bei unseren Untersuchungen auf einen regressionsanalytischen Ansatz, der auf der Beobachtung von 20 Industrieländern über einen Zeitraum von inzwischen 18 Jahren beruht. Bei der Auswahl der für den beschäftigungspolitischen Erfolg maßgeblichen Wirkungsfaktoren haben wir dabei folgende drei Kriterien zugrunde gelegt:

- theoretische Plausibilität

- international vergleichbare Meßbarkeit

- statistische Signifikanz.

Der Ansatz beruht im Prinzip auf einer multiplen Regressionsanalyse. Im Unterschied zu unseren früheren Berichten haben wir unsere Methodik für die Fortschreibung des Rankings allerdings weiterentwickelt. Basierten die bisherigen Analysen noch auf einer Querschnittsanalyse der 20 Länder, wobei jeweils Durchschnittsdaten der einzelnen Kenngrößen für die 80er und 90er Jahre zugrunde gelegt wurden, so verwenden wir nunmehr eine Pool-Schätzung, d. h. eine kombinierte Quer- und Längsschnittanalyse. Dies hat den Vorteil, daß damit auch Entwicklungen einzelner Länder innerhalb des Beobachtungszeitraums in die Analyse der Zusammenhänge zwischen Wirkungs- und Erfolgsfaktoren der Beschäftigungspolitik eingehen. Außerdem wird dadurch die Datenbasis dieser Analyse um ein Vielfaches erhöht und somit ihre Zuverlässigkeit gesteigert. Ein weiteres Charakteristikum des neuen Verfahrens ist es, daß sich nunmehr das relative Gewicht jedes einzelnen Wirkungsfaktors in bezug auf die Erklärung der Unterschiede im beschäftigungspolitischen Erfolg unmittelbar aus der statistischen Analyse selbst ergeben; dies war bei dem bisher verwendeten Verfahren nur eingeschränkt der Fall gewesen.

Ein Nachteil des neuen Verfahrens ist es allerdings, daß Zeitverzögerungen zwischen den Wirkungs- und Erfolgsfaktoren dabei nur schwer handhabbar sind. Zudem sind nicht alle Zeitreihen für alle Länder und für den gesamten Zeitraum verfügbar, so daß an einigen Stellen Interpolationen oder Schätzungen unvermeidbar waren. Insgesamt überwiegen nach unserer Einschätzung jedoch die Vorteile des neuen Verfahrens. Nur in wenigen Fällen hat es die Reihenfolge der Länder in unserem Ranking gegenüber dem bisherigen Verfahren leicht verändert. Wenngleich sich auch hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung der einzelnen Wirkungsfaktoren leichte Veränderungen ergeben haben, bleiben die grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen gegenüber unseren bisherigen Berichten unverändert.

Als entscheidend und statistisch hochsignifikant für die Erklärung der unterschiedlichen beschäftigungspolitischen Performance der einzelnen Länder haben sich letztlich folgende Wirkungsfaktoren erwiesen (Die Zahlen in Klammern geben die jeweiligen Gewichte der Wirkungsfaktoren an. Sie sind nur für den Durchschnitt der 20 Länder und des gesamten Untersuchungszeitraums aussagekräftig. In einzelnen Ländern und Teilzeiträumen können die Erklärungsanteile der einzelnen Wirkungsfaktoren davon abweichen.):

- Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt (18 Prozent)

- Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (9 Prozent, mit negativem Vorzeichen)

- Anteil der aktiven Maßnahmen an den Gesamtausgaben der Arbeitsmarktpolitik (23 Prozent)

- Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Gesamtzahl der Arbeitslosen (16 Prozent, mit negativem Vorzeichen)

- Anstieg der nominalen Lohnstückkosten (10 Prozent, mit negativem Vorzeichen)

- Streikhäufigkeit (16 Prozent, mit negativem Vorzeichen)

- Anteil der Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtzahl der Beschäftigten (8 Prozent).

Insgesamt erklären diese sieben Wirkungsfaktoren etwa 65 Prozent der Unterschiede im beschäftigungspolitischen Erfolg der zwanzig hier betrachteten Industrieländer. Wie bisher messen wir diesen Erfolg an einem kombinierten Indikator (Zielgröße) aus den beiden Größen "standardisierte Arbeitslosenquote" und "Zuwachs der Erwerbstätigenzahl", wobei letztere Größe mit einem um so geringeren Gewicht in die Bewertung eingeht, je niedriger die Arbeitslosenquote des betreffenden Landes bereits ist. Dahinter steht die Überlegung, daß Länder mit bereits hohem Beschäftigungsstand hohe Zuwächse der Erwerbstätigenzahl sowohl weniger dringend benötigen als auch schwerer erreichen können im Vergleich zu Ländern, in denen die Arbeitslosigkeit relativ hoch ist.

Für jedes Land läßt sich nun aus den sieben Einzelfaktoren, die entsprechend ihrer ermittelten Koeffizienten gewichtet werden, der aggregierte Wirkungsfaktor berechnen, der die Hälfte der Gesamtrankingziffer bildet. Die andere Hälfte der Gesamtrankingziffer ergibt sich aus der Zielgröße. Dabei wird diese Rankingziffer nicht auf der Basis von Einzeljahren gebildet, sondern ihr liegt ein Drei-Jahres-Zeitraum zugrunde. Mit Hilfe der auf diese Weise ermittelten Gesamtrankingziffer wird schließlich eine Rangfolge innerhalb des von uns untersuchten Länderspektrums ermittelt und die erreichte Position mit der in der Vorperiode verglichen. Diese kritische Gegenüberstellung der nationalen Beschäftigungspolitiken ermöglicht es uns schließlich, erfolgreiche Konzepte und Instrumente zu identifizieren, um hieraus konkrete wirtschaftspolitische Steuerungsoptionen abzuleiten.

Drittmittelgeber:

Bertelsmann Stiftung

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Ulrich van Suntum, Dipl.-Volkswirt Jörg Schröder
 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 1999-07-16