Kerstin Ortmann (geb. Mertenskötter)
Kerstin Ortmann (geb. Mertenskötter)

Textuelle Dramaturgie: Eine Methode der Theatertextanalyse

© J. B. Metzler

Ein Blick in die aktuellen Spielpläne der Theater der Gegenwart offenbart ein offenes und heterogenes Feld an Textformen und Inszenierungsweisen. Klassische Dramen und traditionelle Inszenierungen finden sich neben postdramatischen Arbeiten und der Ästhetik der Neudramatik. Postdramatisches Theater und ebensolche Texte, etwa von Elfriede Jelinek, Peter Handke oder René Pollesch haben sich seit den 1960er Jahren entwickelt. Ihre Aufkündigung mit dem „Dreigestirn von Drama, Handlung und Nachahmung“ (Lehmann 1999:35), wie Hans-Thies Lehmann es in seiner Monografie Postdramatisches Theater beschreibt, führt bspw. zu einer Entpersonalisierung der Figuren, zu einer Monologisierung der Dialogstruktur, zu einem Bruch mit dem Anspruch auf kausal-logische Wiedergabe eines ‚Geschehens‘. Neben der Postdramatik entwickelt sich zudem seit den 1990er Jahren mit Autor_innen und Regisseur_innen wie Dea Loher und Roland Schimmelpfennig die sogenannte Neudramatik. Eine ‚Rückkehr zum Dramatischen‘, die diesen Theatertexten im literatur- und theaterwissenschaftlichen Diskurs zugeschrieben wird, wird dabei zugleich durch ästhetische Strategien wie Perspektivwechsel, Zeitsprünge und die Verwendung illusionsbrechender Stilmittel aufgestört.
Die Methode der Literaturwissenschaft zur Analyse von Dramen und Theatertexten, die Dramenanalyse, trägt dieser Heterogenität begriffstheoretisch jedoch nicht Rechnung. Einschlägige Einführungen in die Dramenanalyse richten ihre Untersuchungsaspekte Handlung, Figur, Sprache (dramatische Rede), Raum und Zeit historisch einseitig an der Poetik des Aristoteles (335 v. Chr.) sowie an einschlägigen dramen- und theatertheoretischen Schriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus; vorrangig an Johann Christoph Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst (1730) oder an Gotthold Ephraim Lessings Hamburgische Dramaturgie (1767-69). Es zeigt sich eine deutliche Divergenz zwischen der literaturwissenschaftlichen Forschung und den innovativen Entwicklungen der theatralen Praxis. Vor diesem Hintergrund wird das vorliegende Promotionsprojekt das Desiderat eines revidierten Instrumentariums zur Dramen- und Theatertextanalyse schließen. Ziel der Arbeit ist es, sowohl einen dramenanalytischen Zugang zu Theatertexten seit 1900 (Stichwort ‚Krise des Dramas‘) zu ermöglichen, als auch jene Textstrategien und dramaturgische Verfahren in Dramen des 18. und 19. Jahrhunderts aufzudecken, die mit dem historisch einseitig ausgerichteten Instrumentarium der Dramenanalyse bisher kaum erfasst werden konnten.

Betreuerinnen: Prof. Dr. Cornelia Blasberg (Universität Münster), Prof. Dr. Claudia Benthien (Universität Hamburg)

  • Aktuelles

    Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

     

  • Akademischer Werdegang

    2021 Promotion, Deutsche Philologie, Graduate School Practices of Literature. Universität Münster
    2016 - 2019 Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
    2016 Forschungsaufenthalt am Elfriede Jelinek-Forschungszentrum in Wien, Stipendium des smartNETWORKS
    2015 - 2016 Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle der Anette von Droste-Gesellschaft
    2014

    Master of Education, Deutsch und Erziehungswissenschaften, Universität Münster

    2014 Master of Arts Kulturpoetik, Universität Münster
    2013 - 2014 Studentisches Volontariat in der LWL-Literaturkommission für Westfalen
    2009 2-Fach-Bachelor Deutsch und Erziehungswissenschaften, Universität Münster
    2007 - 2009 Fortbildung zur Theaterpädagogin am Theaterpädagogischen Zentrum (TPZ) in Münster