Impressionen der Ausstellung

© Aline Klieber

Im Mai 2022 war unsere Ausstellung in der Orangerie des Botanischen Gartens in Münster zu sehen. Wer die Ausstellung verpasst hat, findet hier neben Fotos weitere Informationen zu den Texten und Filmen, die wir gezeigt haben. Die Originalzitate aus den literarischen und filmischen Werken können wir aus rechtlichen Gründen nicht anführen, dafür finden Sie im Folgenden die von uns zusammengestellten Kontexte zu den jeweiligen Quellen.

Außerdem finden Sie hier das Begleitheft zur Ausstellung.

Willkommen!

Welche Rolle spielen Pflanzen in der Science-Fiction? Das ist die Leitfrage unserer Ausstellung. Rund eineinhalb Jahre sind wir, ein Team aus Promovierenden und Masterstudierenden aus den Literaturwissenschaften der Universität Münster, dieser Frage nachgegangen. Die Antworten sind vielseitig: Pflanzen können dekorativer Hintergrund, todbringende Killer oder intelligente Partner:innen sein. Eins aber eint alle hier ausgestellten Texte und Filme: Sie greifen drängende Fragen unserer Zeit auf. Dazu gehören die Klimakrise ebenso wie das Artensterben oder die Ressourcenknappheit. Im Möglichkeitsraum, den das Genre der Science-Fiction bietet, denken sie aktuelle Erkenntnisse aus der Botanik weiter, entwickeln neue Strategien, um mit anderen Lebewesen umzugehen oder beschwören Endzeitszenarien herauf. Auf eindrucksvolle Weise kommen Wissenschaft und Fiktion in den Texten und Filmen zusammen. Für die Ausstellung haben wir die Werke und ihre wissenschaftlichen Kontexte zusammengetragen und in drei Bereiche gegliedert:

  • Im Paradies
  • Außer Kontrolle
  • Gemeinsam Erschaffen

Im Paradies

Fotos

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Dekoration, Heilmittel, Nahrungsquelle – das sind drei wesentliche Funktionen von Pflanzen in der westlichen Kultur. Meist nehmen wir Pflanzen als passiv und immobil wahr, sie sind schmückender Hintergrund. Kulturgeschichtlich ist dies bis zum biblischen Motiv des Garten Eden zurückzuverfolgen. Der Garten ist häufig ein Ort der Hoffnung, der Geborgenheit oder der Lust. In diesen Gärten rücken die einzelnen Pflanzen in den Hintergrund und verschwinden in der Kulisse.

So auch in zwei hier vorgestellten Werken: In Margaret Atwoods Year of the Flood (2017) sind die Pflanzen vor allem Nahrungsquelle auf einem zerstörten Planeten, im Film Silent Running (1972) museale Objekte unter riesigen Glaskuppeln, die auf gigantischen Raumschiffen durch den Weltraum treiben. Im Hörspiel Im erwachten Garten (2008) sind die Pflanzen hingegen in ein paradiesisches Miteinander eingebunden. Der Titel spielt zwar auf den Garten Eden an, aber das Hörspiel bricht mit traditionellen Vorstellungen.

  • Margaret Atwood (*1939 in Kanada): The Year of the Flood // Das Jahr der Flut (2009)

    Zufluchtsorte

    Im dystopischen Roman The Year of the Flood kämpfen die Menschen nach einer Seuche um ihr Überleben. Ein Teil von ihnen lebt in einer radikal-ökologischen Gruppe zusammen, die sich die ‚Gärtner:innen‘ nennt und paradiesische Gärten auf Hausdächern anlegt. Die Gärten liefern der Sekte giftfreie Nahrung und einen Raum, der vor der Außenwelt geschützt ist. In dieser sogenannten „Außenhölle“ regieren Rausch und Gewalt und es gibt keine Vegetation mehr.

    Die Pflanzen werden in The Year of the Flood gängigen Vorstellungen entsprechend dargestellt. Die Gärten auf den Dächern dienen den Menschen vor allem als Nahrungsquelle. Gleichzeitig sind sie an paradiesische Ideale und an die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geknüpft. In der Außenhölle deutet die Abwesenheit von Pflanzen auf den moralischen Verfall. Diese Aufteilung in Paradies und Hölle zeigt sich auch im Stadtbild: Während die Gärten hoch erhoben auf den Dächern gedeihen, verderben auf den Straßen die übrigen Menschen. In Gestalt des Bösewichts Blanco dringt die Außenwelt in das Paradies ein und zwingt die Heldin Toby zur Flucht.

  • Douglas Trumbull (1942–2022 in den USA): Silent Running // Lautlos im Weltraum (1972)

    Sammeln und Bewahren

    Im Film Silent Running treiben die letzten Gärten der Erde auf einer Flotte von Raumschiffen durch das Weltall. Auf einem von ihnen arbeitet der Protagonist Freeman Lowell mit seiner Crew. Die riesigen Gärten unter gläsernen Kuppeln bewahren das letzte Stück ‚Natur‘, nachdem diese auf der Erde zerstört worden ist. Als Zufluchts- und Rückzugsorte erinnern sie an den Garten Eden. Diesen Zusammenhang stellt schon der Beginn des Films her: Lowell badet in einem künstlichen See und ist dabei wie der biblische Adam nackt.

    Die Pflanzen sind in Silent Running nur Dekoration und passiver Hintergrund. Sie haben keine eigene Handlungsmacht, sondern dienen als Kulisse. Als museale Objekte ist für sie in der eigentlichen Welt kein Platz mehr. Folglich erhält die Crew im Verlauf des Films den Befehl, die Kuppeln zu zerstören. Dies verhindert Lowell, indem er seine Kolleg:innen ermordet, bevor diese die letzte Kuppel sprengen können. Für die Pflanzen interessiert er sich anschließend trotzdem nicht – er zieht die Gesellschaft von zwei Robotern vor, die sich an Bord befinden.

  • Dietmar Dath (*1970 in Deutschland) & Kammerflimmer Kollektief (Heike Aumüller *1969, Johannes Frisch *1958, Thomas Weber *1969 in Deutschland): Im erwachten Garten (2008)

    Entgrenzungen

    Das Hörspiel Im erwachten Garten variiert das Motiv des Garten Eden. Die Menschheit hat sich durch technologischen Fortschritt so stark weiterentwickelt, dass die Grenzen zwischen den Arten aufgehoben sind: Die Figuren im Hörspiel sind Hybridwesen aus Mensch, Tier und Maschine, die ihr Äußeres und Inneres verändern können. Unabgeschlossen und transformativ sind auch die Beziehungen, die die Figuren miteinander eingehen. Sie leben polyamor und polygam zusammen. Teil dieses fröhlichen Miteinanders sind die Pflanzen, die hier nicht passiv und isoliert, sondern in die Gemeinschaft eingebunden sind. Sie tauschen sich mit den anderen Figuren aus – oder machen sich über sie lustig. Rückblickend erzählt in dieser Station ein nicht-hybridisierter Mensch davon, wie er die Pflanzen zum ersten Mal sprechen hört.

    Im erwachten Garten zeigt, dass sich ‚Natur‘ und Kultur nicht voneinander trennen lassen und sich gegenseitig durchdringen. Laut der Natur- und Kulturwissenschaftlerin Donna J. Haraway ist die Trennung von ‚Natur‘ und Kultur nicht gegeben, sondern konstruiert. Diese Zweiteilung zu hinterfragen, liefert produktive Denkanstöße – nicht nur Im erwachten Garten.

Außer Kontrolle

Fotos

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Dort, wo Pflanzen aus ihren kulturellen ‚Gefängnissen‘ ausbrechen, ist es zum Pflanzenhorror nicht weit. Plötzlich mobil geworden, greifen sie aus dem toten Winkel unserer Wahrnehmung an und stellen unser Weltbild in Frage. Ob als fleischfressende Pflanzen oder unkontrollierbar wachsende Ranken – sie befeuern seit jeher unsere Fantasie. Die duldsame Vegetation wird lebendig und flößt uns als das absolut Fremdartige Furcht ein.

Die Pflanzen in den hier ausgestellten Texten überschreiten alle Grenzen: Sie dringen in den menschlichen Kulturraum, manchmal sogar bis in den menschlichen Körper ein. Damit setzen sie herrschende Ordnungen außer Kraft und führen zu grotesken Durchmischungen von Mensch und Pflanze. Einige dieser Horrorpflanzen sind menschengemacht und das Ergebnis von Experimenten verrückter Wissenschaftler, andere kommen aus dem All zu uns und lassen uns die Frage, was im Weltraum lauert, neu stellen. Sie entziehen sich der menschlichen Kontrolle und selbst der Wissenschaft fehlen die Begriffe, um sie zu beschreiben.

  • Alfred Döblin (*1878 im Deutschen Kaiserreich, +1957 in Deutschland): Berge Meere und Giganten // Mountains Oceans Giants: An Epic of the 27th Century (1924)

    Wucherungen

    Pflanzen wachsen so langsam, dass Menschen ihnen dabei mit bloßem Auge nicht zusehen können. Als um 1900 der Film erfunden wird, macht der Zeitraffer solche Phänomene plötzlich sichtbar. Auch in Alfred Döblins Roman Berge Meere und Giganten wuchern die Pflanzen wie im Zeitraffer mit rasender Geschwindigkeit an den Küsten Grönlands und begraben Menschen, Tiere und ganze Frachtschiffe unter sich. Der Grund für das unkontrollierte Wachstum ist menschliche Gier: Um Besiedlungsflächen zu erschließen, haben die Romanfiguren große Flächen vor Grönland abgeschmolzen und die pflanzlichen Ungeheuer heraufbeschworen.

    Wie die Pflanzen wuchert auch Döblins poetische Sprache. Wortketten schichten sich auf wie die Pflanzenmassen, die dem europäischen Festland entgegendrängen. Form und Inhalt des Romans sind eng aufeinander bezogen und vermitteln eine beängstigende Nachricht: Die Pflanzen sind außer Kontrolle. Texte wie Berge Meere und Giganten zeigen, dass Pflanzen keine passiven Lebewesen sind. Sie spielen mit unseren Ängsten, wenn sich plötzlich die Grundlage unseres Lebens – Pflanzen – gegen uns wendet.

  • Christian Nyby (1913–1993 in den USA): The Thing From Another World // Das Ding aus einer anderen Welt (1951)

    Pflanzen-Aliens

    Eine pflanzliche Bedrohung aus den Weiten des Universums hält eine Forschungsstation in der Arktis in Atem. Die Wissenschaftler finden ein eingefrorenes Wesen im Eis und tauen es auf. Eine schlechte Idee, denn das Ding greift die Forscher an und bekämpft sie. Dabei verliert das hochentwickelte und scheinbar intelligente Alien einen Arm, den die Forscher sofort untersuchen: Der Arm enthält weder Blut noch tierisches Gewebe. Stattdessen haben sie eine Art „vegetable“ (Gemüse) vor sich, eine „super carrot“, der Pistolenkugeln nichts anhaben. Bald erkennen sie, dass das Alien eine karnivore Pflanzenspezies ist, die sich von Menschenblut ernährt. Der leitende Wissenschaftler zieht trotz der Gefahr Keimlinge aus den Samen des Wesens heran und füttert den Pflanzennachwuchs mit den Blutkonserven der Forschungsstation.

    Wesen wie das Thing stellen unsere Vorstellungen von der Pflanzenwelt auf den Kopf. Das passive Grün weicht eindrucksvollem Pflanzenhorror und in bedrohlichen Szenarien geht es den Menschen an den Kragen. Sie müssen um ihr Leben fürchten und oft sind ihre eigenen Körper Schauplatz der vegetabilen Handlungsmacht.

  • John Wyndham (1903–1969 in England): The Day of the Triffids // Die Triffids (1951)

    Menschenfressende Pflanzen

    Karnivore, also fleischfressende Pflanzen, befeuern unsere Fantasie: Die Venusfliegenfalle oder Kannenpflanzen ernähren sich von Insekten und einige Karnivoren verzehren sogar kleine Nagetiere. Sie provozieren Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Zeitungsfalschmeldungen, in denen Naturforscher über menschenfressende Pflanzen berichten, denen sie auf ihren Reisen in exotische Länder begegnet sein wollen. Auch im dystopischen, mehrfach verfilmten Roman The Day of the Triffids machen Pflanzen Jagd auf Menschen und für die sieht es gar nicht gut aus: Durch einen Meteoritenschauer ist beinahe die gesamte Menschheit erblindet – und die tödlichen Triffids gewinnen die Oberhand.

    Die Menschen nutzen die Pflanzen zunächst zur Ölgewinnung. Aber als sie erblinden, sind sie dem Giftstachel der Triffids ausgeliefert. Diese sind erschreckend mobil: Auf ihren drei Wurzeln ziehen sie durch die Städte, verständigen sich mit Klopfzeichen und töten ihre Beute. Obwohl die Triffids kein Gehirn haben, sind sie gut organisiert. Einzelne Figuren spekulieren gar über eine pflanzliche Intelligenz und bis zum Ende des Romans gelingt es den Menschen nicht, sich von den Triffids zu befreien.

Gemeinsam Erschaffen

Fotos

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Der Mensch ist der Mittelpunkt der Welt – das ist die Grundannahme des Anthropozentrismus. Herausforderungen wie die Klimakrise, das Artensterben und die Ressourcenknappheit zeigen uns jedoch, dass wir damit falsch liegen. Ein Umdenken ist nötig: Ein produktives Zusammenleben berücksichtigt, wie andere Lebewesen dazu beitragen, dass unser Planet fortbesteht. Dafür ist es notwendig, den Blick zu weiten und die Handlungsmacht anderer Lebewesen anzuerkennen, auch wenn diese dem Menschen bisher unter- und nicht nebengeordnet wurden.

Die hier präsentierten Texte tun das auf unterschiedliche Weise und erproben im fiktiven Raum ein neues Miteinander. Dabei spielen pflanzliche Intelligenz und Kommunikation ebenso eine Rolle wie Symbiosen zwischen Mensch und Pflanze. Nicht immer gelingt der Perspektivwechsel – meist mit fatalen Folgen für die Menschen. Dennoch laden alle Texte dazu ein, aus dem eigenen Denken auszubrechen und neue Wege zu beschreiten.

  • Rebecca Buchanan (* in den USA ): Heliobacterium daphnephilium (2020)

    Unfreiwillige Metamorphosen

    Schon der Titel – Heliobacterium daphnephilium – verrät, dass es in diesem Gedicht um Verwandlungen geht, und zwar um Verwandlungen in Bäume. „Daphnephilium“ bedeutet so viel wie „Freund:in der Daphne“ und spielt auf die Nymphe Daphne an, die in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde. Von ihr erzählt der Dichter Ovid in seinen Metamorphosen, die verschiedene Mythen der Antike versammeln.

    In Buchanans Gedicht retten Forscher:innen die Welt, indem sie Menschen in Bäume verwandeln. In geheimen Laboren haben sie ein Bakterium hergestellt, das die Wandlung herbeiführt. Nach und nach infizieren sie damit den Großteil der Menschheit. Wie das Coronavirus, mit dem wir es seit mehr als zwei Jahren zu tun haben, breitet sich das Baumbakterium schnell aus. Es nimmt den Menschen die Entscheidung darüber ab, wann und wie sie ihren Planeten schützen wollen – in diesem Szenario ist die Zeit der Menschen schlicht vorbei. Vergessen sind unwichtige Dinge wie Miete, Job und Rechnungen. Stattdessen bleibt nun nur noch die Zeit, die Häuser zu verlassen, die Arme der Sonne entgegen zu recken und sich in einen Baum zu verwandeln – wie Daphne.

  • Kurd Laßwitz (1848–1910 im Deutschen Kaiserreich): Die Unbeseelten (1908)

    Hat der Mensch eine Seele?

    Die Pflanzen in Kurd Laßwitz’ Geschichte Die Unbeseelten sind sich da nicht so sicher. Weil der Mensch nicht direkt mit der Erde verbunden ist, sei er nicht in der Lage, Leben und Natur als eine Einheit zu erkennen. Die Pflanzen halten die Menschen deshalb für unbeseelt. Diese Vermutung sehen sie zunächst bestätigt, als ein junges Mädchen ein Veilchen pflückt. Es sieht in dem Veilchen jedoch nicht nur einen Boten des Frühlings, sondern erkennt, dass sich die Blume mitteilen will. Der Text endet also auf einer hoffnungsvollen Note.

    Kurd Laßwitz gilt als ‚Vater‘ der deutschsprachigen Science-Fiction-Literatur. Er greift in seiner Geschichte die Arbeit des Naturphilosophen Gustav Theodor Fechner (1801–1887) auf. Dieser vertritt die Ansicht, dass die ganze Welt beseelt sei, also auch Pflanzen. Nur weil sie anders als Menschen und Tiere aufgebaut sind, könne man nicht sagen, dass sie empfindungslos seien oder keine Seele hätten, so Fechner.

  • Frauke Berger (*1991 in Deutschland): Grün (2018/2019)

    Hybridisierungen

    Pflanzen gibt es in der fiktiven Welt von Grün in vielerlei Form: Die Bewohner:innen kultivieren sie in den Tiefgärten und bauen sie auf hängenden Plantagen an. Außerdem verwenden sie das wertvolle Holz ihres Waldes als Zahlungsmittel und Baumaterial.

    Doch die einst florierende Welt kollabiert: Große Teile des Planeten sind verwüstet, der Boden ist erodiert und die Bewohner:innen fürchten um ihre Existenz. Und schlimmer noch: Eine pflanzliche Seuche sucht den ausgebeuteten Planeten heim und verwandelt alle Lebensformen in hybride Pflanzenwesen. Der zweibändige Comic Grün erzählt von menschlicher Gier und wie die Jagd nach Ressourcen einen ganzen Planeten zerstört – bis dieser sich wehrt. Seine Bewohner:innen gehören teils verfeindeten Stämmen an und werden in unfreiwillige Allianzen miteinander gezwungen. Sie dämmen die pflanzliche Seuche schließlich ein, aber zu einem hohen Preis: Ihre Körper verändern sich, ihr einstiger Heimatplanet ist unbewohnbar und sie brechen mit unbekanntem Ziel ins All auf. Grün erinnert daran, dass wir diese Möglichkeit nicht haben und uns kein ‚Planet B‘ zur Verfügung steht.

  • Ursula K. Le Guin (1929–2018 in den USA): Vaster than Empires and More Slow (1971) The Word For World is Forest // Das Wort für Welt ist Wald (1972)

    Widerstand

    Das Erkunden neuer Welten ist ein prominentes Thema in der Science-Fiction. So fern die Welten auch sind: wenn Menschen und Aliens zusammentreffen, zeigen sich Probleme unserer realen Welt, wie die Folgen des Kolonialismus.

    Der Hainish-Zyklus von Ursula K. Le Guin umfasst mehrere Romane und Kurzgeschichten, in denen die Autorin eine ferne Zukunft imaginiert. Die Menschen haben mehrere Planeten besiedelt und unterhalten Handelsbeziehungen mit anderen Sternen. In der Kurzgeschichte Vaster Than Empires and More Slow landet eine Gruppe Menschen auf einem neu entdeckten Planeten. Sie finden dort zwar kein tierisches Leben, aber die gesamte Oberfläche ist von Wald bedeckt. Die Eindringlinge fühlen sich zunehmend unwohl und nehmen eine Angst wahr, die vom Planeten selbst auszustrahlen scheint. Es ist die Angst der Pflanzen, die immer allein waren und über ihr vernetztes Bewusstsein mit Furcht auf die Menschen reagieren.

    Auch die Novelle The Word for World is Forest spielt auf einem von Wald bedeckten Planeten. Eine Gruppe von Kolonisator:innen beutet den Planeten und seine friedlichen Bewohner:innen aus. Diese lebten zuvor in symbiotischen Beziehungen mit ihren Bäumen, die die Menschen nun fällen, weil es auf der Erde kaum noch Holz gibt. Doch die Bewohner:innen setzen sich zur Wehr und vertreiben die Eindringlinge. Der Text kritisiert den Kolonialismus und betont, wie wichtig indigene Lebensformen sind, die in Respekt vor der Umwelt mir ihr zusammenleben.

  • Alan Dean Foster (*1946 in USA): Midworld // Die denkenden Wälder (1975)

    Wood Wide Web

    Der Planet Midworld ist dicht von kilometerhohen Bäumen bewachsen, in deren sieben Etagen es von kleinen und großen Lebewesen nur so wimmelt. Alle Tiere und Pflanzen sind in symbiotischen Beziehungen miteinander verbunden. Auch die Menschen sind Teile dieses friedlichen Gefüges. Sie sind Nachkommen einer vor Jahrhunderten auf Midworld gestrandeten Gruppe und haben sich im Laufe der Zeit an dieses Wood Wide Web angepasst. Doch dann landet eine neue Gesandtschaft der Menschen auf dem Planeten und bedroht das Gleichgewicht: Sie wollen den Waldplaneten als Quelle neuer Ressourcen missbrauchen und drohen ihn dadurch zu zerstören.

    In Midworld werden durch die beiden Gruppen zwei Möglichkeiten aufgezeigt, wie Menschen sich in einer neuen und fremden Umgebung verhalten können: Die neu angekommenen Kolonisator:innen sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht und zerstören ihnen unbekannte Lebensgemeinschaften. Die ersten Menschen hingegen haben sich mit Demut und Respekt ihrem neuen Zuhause angenähert. Sie sind nun Teil eines Netzwerkes, in dem tierische und pflanzliche Lebewesen voneinander profitieren. Ein solcher Umgang mit der Umwelt findet sich auch in den Lebenspraktiken indigener Kulturen, wie sie die Pflanzenökologin vom Stamm der Potawatomi, Robin Wall Kimmerer, lehrt.

  • Aliya Whiteley (*1974 in England): Peace, Pipe (2018)

    Herausforderung Erstkontakt

    In der Kurzgeschichte Peace, Pipe versucht die Protagonistin einen Krieg zu stoppen, den sie auf einem fremden Planeten verursacht hat. Als Vermittlerin ist es ihr Job herauszufinden, welche Lebewesen auf neu entdeckten Planeten das Sagen haben und den Erstkontakt herzustellen. Doch ihr letzter Auftrag ging schief: Sie hat mit Biber-artigen Wesen kommuniziert und nicht mit den Baum-artigen, die den Planeten eigentlich beherrschen. Als Reaktion darauf vergiften die Baum-artigen ihre Rinde und töten viele Biber-artige. Um den Krieg zu beenden, sendet die Vermittlerin eine Nachricht an die Baum-artigen, die über ein vibrierendes Gerät im Wurzelwerk übertragen wird. Sie weiß jedoch nicht, ob die Kommunikation funktioniert und welche Nachricht überhaupt ankommt. Schlussendlich lähmen die Vibrationen die Baum-artigen und der Krieg endet – allerdings stirbt auch das gesamte Ökosystem des Planeten. Piece, Pipe führt eindrucksvoll die Grenzen menschlicher Wahrnehmung vor und macht deutlich, wie schwierig und herausfordernd es ist, mit fremden Wesen zu kommunizieren.

  • Sue Burke (*1955 in den USA): Semiosis (2018)

    Im Gespräch mit einem Bambus

    Wie könnten Menschen und Pflanzen kommunizieren? Dieser Frage geht der Roman Semiosis nach. Im Jahr 2065 bricht ein Teil der Menschheit von der zerstörten Erde zum Planeten Pax auf und begründet eine neue Zivilisation. Doch das Ökosystem funktioniert anders als das auf der Erde: Intelligente Pflanzen beherrschen den Planten.

    Teile des Romans sind aus Sicht dieser Pflanzen erzählt, genauer aus Sicht eines Bambus. Er fragt sich, ob die Menschen intelligent sind oder ob sie von Pflanzen erzogen wurden. Um mit ihnen zu kommunizieren, zeigt er Farbpigmente auf seinen Stämmen. Die Menschen entziffern seine Nachrichten. Schließlich wird der Bambus ein Mitglied ihrer Gemeinschaft und hilft sogar dabei, einen Mord aufzuklären. Er hat organische ‚Außenposten‘, die über die Siedlung der Menschen verteilt und durch Wurzeln verbunden sind. Mit ihnen nimmt er das Kommen und Gehen wahr und greift über die Wurzeln auf die Informationen zu. Doch die Hilfe hat einen Haken: Damit sich die Menschen um seine Wasserversorgung kümmern, macht der Bambus sie von seinen Früchten abhängig. Dafür gibt es in unserer Pflanzenwelt reale Beispiele: So reichern einige Zitruspflanzen ihren Nektar mit Koffein an, damit sich die Bienen besser an sie erinnern.

  • Roald Dahl (1916–1990 in England): The Sound Machine (1949)

    Schreiende Pflanzen

    Das menschliche Ohr nimmt Frequenzen zwischen etwa 20 und 20.000 Hertz wahr. Alles, was darüber liegt, ist für uns ohne technische Mittel nicht hörbar. In der Kurzgeschichte The Sound Machine experimentiert der Protagonist mit einem Hörgerät, das auch diese Töne zugänglich macht. Womit er nicht rechnet: Als seine Nachbarin im Garten Rosen pflückt, hört er plötzlich ein Geräusch. Und auch, als er versuchsweise mit einer Axt in einem Baum schlägt, nimmt er einen erschreckend lauten Ton wahr. Er erkennt, dass die Pflanzen die Laute ausstoßen, und fragt sich, was sie ausdrücken. Handelt es sich um Schmerz, Überraschung oder ein ganz anderes Gefühl, das sich nicht in menschliche Begriffe übersetzen lässt?

    Diese Fragen beschäftigen auch die Botanik: Der Forscher Stefano Mancuso will nicht ausschließen, dass Pflanzen Schmerzen empfinden können, auch wenn sie kein Gehirn haben. Mancusos Thesen sind in der Fachwelt umstritten, regen aber nichtsdestotrotz die Fantasie an.