Projekt

Projekt Geistlicher Missbrauch in Geistlichen Gemeinschaften

Bereits im Zuge der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche wurde deutlich, dass geistlicher und/oder spiritueller Machtmissbrauch etwa bei der Anbahnung der Taten eine Rolle spielen. Unabhängig von sexualisierter Gewalt stellt geistlicher Missbrauch aber auch ein eigenständiges Phänomen dar, dem erst in jüngerer Zeit höhere Aufmerksamkeit zukommt. Dabei ist geistlicher Missbrauch gerade auch im Umfeld der in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts entstandenen Geistlichen Gemeinschaften festzustellen, wie vermehrt geäußerte Vorwürfe von ehemaligen Mitgliedern Geistlicher Gemeinschaften zeigen. Es handelt sich dabei um eine spezifische Form psychischer Gewalt, bei der eine geistliche Autoritätsperson – sakral aufgeladen und dadurch legitimiert – in die persönliche Freiheit und psychische Integrität des Anderen, oftmals auch junger Erwachsener eingreift. Diese Verletzung der spirituellen Selbstbestimmung ist mit großem psychischem Druck verbunden und hat vielfach traumatische Folgen. Erste Untersuchungen beschreiben zum Teil erschreckende Erfahrungen Betroffener, doch steht die wissenschaftliche Erforschung des Phänomens des geistlichen Missbrauchs noch in den Anfängen.

Daher nimmt das von den Diözesen Osnabrück und Münster, der Deutschen Bischofskonferenz und dem Orden der Thuiner Franziskanerinnen geförderte und auf drei Jahre bis Ende 2025 angelegte Forschungsprojekt „Geistlicher Missbrauch im Kontext Geistlicher Gemeinschaften“ das Phänomen aus einer praktisch-theologischen Perspektive unter Berücksichtigung zeitgeschichtlicher und pastoralgeschichtlicher Bedingungsfaktoren in den Blick. Konkret geht es um die Folgen des geistlichen Missbrauchs für die Betroffenen sowie um die Fragen, welche Voraussetzungen und Strukturen geistlichen Missbrauch entstehen lassen und aufrechterhalten, welche religiösen Praktiken, theologischen Überzeugungen und anthropologischen Konzepte diesen begünstigen oder welchen Einfluss spirituelle Traditionen und spezifische Formen geistlichen Lebens haben. Dabei stehen die im Bistum Osnabrück gegründete und eng mit dem Thuiner Orden verknüpfte „Christusgemeinschaft“ sowie die 2007 im Bistum Münster kirchenrechtlich anerkannte, 2021 durch den Bischof von Münster aufgelöste geistliche Vereinigung „Totus Tuus“ im Zentrum der Untersuchung, da für beide Gemeinschaften geistlicher Missbrauch dokumentiert ist.

Methodisch folgt die Studie einem archivalischen Zugang unter Berücksichtigung möglichst aller relevanten Akten. Gleichwohl sollen Interviews mit Betroffenen und (ehemaligen) Mitgliedern der Gemeinschaften, mit Zeitzeug*innen und Wissensträger*innen wie Bistumsverantwortliche, aber auch Eltern von Mitgliedern oder Kirchengemeinden die zentrale Datenbasis darstellen. Die anschließenden exemplarischen Analysen zielen auf Ergebnisse, die für die Gesamtheit der deutschen Diözesen von Relevanz sind und nicht zuletzt die Präventionsarbeit stärken.