C2 - Prof. Dr. K. Funke
Das "MIGRATION concept" zur Beschreibung der Ionenbewegung in Materialien mit ungeordneten Strukturen
Ziel dieses Projektes ist es, auf der Grundlage experimenteller Leitfähigkeitsspektren Modelle für die Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln, nach
denen die korrelierten Platzwechselbewegungen der Ionen in ionischen Materialien mit ungeordneten Strukturen ablaufen. Das Konzept der Fehlanpassung und
Relaxation (Concept of Mismatch and Relaxation, CMR) konnte erfolgreich weiterentwickelt werden. Es wird in seiner gegenwärtigen Form als
"MIGRATION concept" bezeichnet, wobei dem Akronym die Bedeutung "MIsmatch Generated Relaxation for the Accommodation and Transport of
IONs" zukommt. Das Modell beschreibt die zeitliche Entwicklung der Ionendynamik mit Hilfe gekoppelter Differentialgleichungen, wobei sich einerseits eine
verblüffende Übereinstimmung mit den experimentellen Spektren ergibt und andererseits eine anschauliche Interpretation der in den Gleichungen gemachten
Aussagen möglich ist. Zu Beginn des Berichtszeitraums gelang es uns, den endlichen Wert des Realteils der Dielektrizitätsfunktion, der im
Grenzübergang zu kleinen Frequenzen beobachtet wird, modellmäßig zu reproduzieren und zu erklären. Insbesondere konnte ein
Zusammenhang mit der Amplitude der nicht-translatorischen lokalen Bewegung der Ionen hergestellt werden. Analyse der Form der Leitfähigkeitsdispersion
gestattet Aussagen über den Ablauf der Ionendynamik, insbesondere über die Bedeutung topologischer Behinderungen und langreichweitiger
Wechselwirkungen. Besonderes Augenmerk haben wir dem sogenannten "Nearly-Constant-Loss" Verhalten (NCL) gewidmet, das in vielen ungeordneten
Ionenleitern bei hinreichend hohen Frequenzen und/oder niedrigen Temperaturen beobachtet wird. Mit Hilfe des "MIGRATION concept" ist es uns gelungen,
die Ionenbewegung in ganz unterschiedlichen ungeordneten Materialien zu beschreiben, und zwar in strukturell fehlgeordneten Kristallen, in Gläsern und in
unterkühlten glasbildenden Schmelzen.
In den strukturell fehlgeordneten
kristallinen Ionenleitern Rubidiumsilberiodid und Natrium-beta''-Aluminat konnten die Elementarschritte der Ionenbewegung untersucht und modellmäßig
interpretiert werden. Als besonders interessant hat sich die bei hohen Frequenzen sichtbare Überlagerung potentiell erfolgreicher Sprungvorgänge und zum
NCL-Verhalten beitragender lokalisierter Bewegungen erwiesen. Im Rubidiumsilberiodid beruht das NCL-Verhalten auf mangelnder Platzkonnektivität, im
Natrium-beta''-Aluminat auf lokalen Bewegungen hoher Amplitude.
In einfachen anorganischen Gläsern haben wir drei verschiedene Verhaltensmuster nachweisen können.
- Es gibt Gläser, in denen ein NCL-Effekt
bis ins Schwingungsgebiet hinein nicht beobachtet wird.
- In anderen findet sich ein NCL-Verhalten, das mit ionischen Sprungprozessen erklärt werden kann, die
aufgrund fehlender Konnektivität des Zielplatzes von vornherein erfolglos bleiben.
- In wieder anderen Gläsern gibt es einen ausgeprägten
NCL-Effekt, der durch dynamisch gekoppelte fluktuierende Dipole hervorgerufen wird, die etwa von Kationen und negativ geladenen Matrixionen gebildet werden.
Am Beispiel der
unterkühlten glasbildenden Schmelze Calcium-Kalium-Nitrat (CKN) haben wir drei bemerkenswerte Tatsachen nachweisen können. Erstens konnten wir die
makroskopische Fluidität (ebenso wie die Gleichstromleitfähigkeit) auf elementare Bewegungsschritte zurückführen. Zweitens ist es uns durch
Analyse der Form der Leitfähigkeitsspektren gelungen, innerhalb der unterkühlten Schmelze einen Übergang von gekoppelter zu entkoppelter
ionischer Bewegung nachzuweisen, der mit beginnender Strukturbildung einhergeht. Drittens konnten wir zeigen, dass die Schwingungsdynamik und die mit dem
"MIGRATION concept" beschriebene Ionendynamik unmittelbar ineinander übergehen.
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
|