Nichtlineare Photonik (Prof. Dr. C. Denz)
Mikroskopische Bewegungsdetektion für Anwendungen in Biologie und Medizin
In den Lebenswissenschaften ist die Beobachtung von sich bewegenden Mikro- und Nanoobjekten ein
hochaktuelles Gebiet der Forschung. Insbesondere in der Systembiologie ist die ganzheitliche in vivo Analyse
der Dynamik in biologischen Funktionssystemen eine der großen Herausforderungen der Zukunft. So gibt
die Bewegung Aufschluss über die Entwicklung und das Verhalten von lebenden Organismen, über
Vorgänge in Organen, über Stoffwechselvorgänge oder über die intra- und
interzelluläre Dynamik.
Gleichzeitig treten in biologischen, medizinischen und lebensmitteltechnischen Anwendungen zunehmend
strömungsmechanische Fragestellungen in mikroskopischem Längenmaßstab auf, die nach
neuen Analyseverfahren verlangen. So ist in der Medizin die Kenntnis der Charakteristika bei
Durchströmungen von biologischen oder künstlichen Kapillaren (Blutgefäße, Stents)
von großer Bedeutung zur Erkennung und Prävention von Krankheiten. Kleinste
Hochleistungsmischer (Lab on a Chip) werden für effiziente, parallele Nachweisreaktionen
mit geringsten Probemengen benötigt.
Die einfache mikroskopische Beobachtung solcher Dynamik ist jedoch derzeit nicht möglich:
biologische Objekte sind fast vollständig transparente Objekte (Phasenobjekte), die mit
herkömmlichen Mikroskopen nicht sichtbar sind. Zur Kontrasterhöhung können sie zwar mit
dem Zernickeschen Phasenkontrastverfahren sichtbar gemacht werden, benötigen dann jedoch speziell
angepasste Mikroskope. Dadurch wird jedoch auch der gleichzeitig vorhandene Hintergrund
(Trägersubstanz, weitere stationäre Mikroobjekte) sichtbar, der wiederum die Erkennung der
Bewegung verhindert. Moderne Mikroskopverfahren wie die konfokale Mikroskopie sind zudem meist skannend
und daher a priori nicht in der Lage, Dynamik mit hohen Bewegungsgeschwindigkeiten in
zweidimensionalen Bildfeldern zu analysieren.
Unsere in diesem Projekt ausgenutzte Entwicklung löst dieses Problem: ein konventionelles Mikroskop
kombiniert mit einem photorefraktiven Neuigkeitsfilter ergibt ein vielseitiges Gerät zur Detektion von
Bewegungen in Echtzeit und zur quantitativen Phasenmessung. Ein Neuigkeitsfilter nutzt die sogenannte
Strahlkopplung aus. Hierbei handelt es sich um einen nichtlinearen Effekt, bei dem zwei Lichtstrahlen in einem
Medium derart wechselwirken, so dass sie Energie austauschen können (dynamische Holographie).
Neuigkeitsfilter filtern aus Datensätzen nur die sich verändernden Daten heraus, während
Gleichbleibendes unterdrückt wird.
Das bewegungsdetektierende Mikroskop ermöglicht somit die Visualisierung kontinuierlich bewegter
Mikroobjekte und dynamischer Systemprozesse in Echtzeit. Die großen Vorteile eines solchen Filters
liegen in seiner hohen Empfindlichkeit für Phasenobjekte und seiner unbegrenzt schnellen, nur durch die
Detektionssysteme begrenzten Antwortzeit. Die Anwendungsbereiche des Mikroskops sind damit
offensichtlich: es ermöglicht die Detektion bewegter Mikroobjekte (Mikroorganismen,
Mikroströmungen und -reaktionen) sowie die in-vivo Beobachtung der inter- oder intrazellulären
Dynamik in Echtzeit überall dort, wo dynamische Prozesse essentiell für die systembiologische oder
nanomedizinische Anwendungen sind. Insbesondere die Möglichkeit der Untersuchung der Mischung
von Flüssigkeiten in Mikrokanälen stellt einen wesentlichen Schritt zum sogenannten
"lab-on-a-chip" dar. Die Detektion von Mikroströmen, die von Mikroorganismen erzeugt werden, ist ein
weiteres Einsatzgebiet dieses Systems. Die Forschung findet in Kooperation mit verschiedenen
Wissenschaftlern aus den Bereichen der Biologie und Strömungsforschung statt und wird in ein
kompaktes, robustes Neuigkeitsfilter-Modul münden, welches leicht in ein kommerzielles Mikroskop
integriert werden kann.
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
|