Zentrale Hörverarbeitung
Die binaurale Interaktionskomponente der frühen akustisch evozierten Hirnstammpotentiale bei
Kindern mit Selektionsstörungen
Als mögliches objektives Korrelat für Selektionsstörungen werden die sog. binauralen
Differenzpotentiale (BDP) der frühen akustisch evozierten Potentiale (FAEP) diskutiert. Bei
128 Kindern mit Verdacht auf auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS)
wurde zusätzlich zu den üblichen klinischen audiologischen Untersuchungen (Sprache im
Störschall, Binaural-Intelligibility-Level-Difference-Test, vergleichende Stapediusreflexmessung für
Sinustöne und Schmalbandrauschen, Regiometrie, Gap Detection, dichotischer Hörtest,
Würburger Hörfeld, Wahrnehmungstrennschärfetest) die binauralen Differenzpotentiale der
auditorisch evozierten Hirnstammpotentiale gemessen. Die Registrierung der BDP erfolgte mittels zyklischer
Präsentation einer aus 12 Stimuli zusammengesetzten Sequenz von monaural und binaural
präsentierten Klicks (19 ms Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Stimuli). Für einen
Vergleich mit den klinischen Befunden wurde aus der Gruppe der Patienten, bei denen mindestens 16.000
Epochen für jede der drei Stimulationsbedingungen (rechts, links, binaural) registriert werden konnten,
diejenigen vierzig ausgewählt, die sich durch die rauschärmsten BDPs auszeichneten
(Durchschnittsalter: 9,34, Standardabweichung: 2,08, 32,5% w, 67,5% m). Diese Patienten wurden
dann anhand der Sprachaudiometrie im Störschall, dem Binaural-Intelligibility-Level-Difference-Test und
der vergleichenden Stapediusreflexschwelle für Sinustöne und Schmalbandrauschen auf eine
Selektionsstörung hin untersucht und in zwei Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe ohne klinische
Auffälligkeiten und eine Gruppe mit mindestens einem pathologischen Befund. Für diese beiden
Gruppen wurde ein Grand-Average aller BDP-Kurven berechnet. Ein Vergleich der resultierenden Wellenformen
ergab für die Gruppe der klinisch unauffälligen Patienten eine deutlich bessere Ausprägung
der BDP, insbesondere im Bereich der Anstiegsflanke der Welle V. Allerdings zeigt eine
Einzelfallbetrachtung eine hohe interindividuelle Variabilität, so dass das für den Grand-Average
gefundene Ergebnis nur bedingt für einzelne Patienten zutrifft. Für eine individuelle Diagnostik von
auditiven Selektionsstörungen kann das BDP in der von uns untersuchten Patientengruppe die
subjektiven Testverfahren nach unserer Einschätzung derzeit noch nicht ersetzen. Wie bei den
subjektiven Tests fehlt zur Beurteilung der Spezifität und Selektivität ein reliables und valides
Außenkriterium (gold standard) zur Diagnostik der AVWS. Die bei objektiven Verfahren erhoffte
Unabhängigkeit der Testergebnisse von extrasensorischer Faktoren wie Konzentration und
Aufmerksamkeit ist in diesem Fall auch nicht gegeben, sondern taucht in Form von Artefakten, schlechtem
Signal-Rauschabstand und letztlich mangelnder individueller Aussagekraft in anderer Form wieder auf.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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