Lehrstuhl für Controlling
Due Diligence-Prüfungen und Unternehmensbewertungen von akutstationären Gesundheitsdienstleistern
Spätestens seit Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetztes im Jahr 2000 trägt eine Vielzahl von Einzelgesetzen zur Modernisierung des deutschen
Gesundheitswesens ein hohes Maß an Wettbewerbsorientierung in den deutschen Markt für stationäre und ambulante Gesundheitsdienstleistungen. Die
zum 01. Januar 2004 vorgenommene Einführung eines neuen Systems zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, das auf Basis von
Produktdefinitionen, sogenannter Diagnosis Related Groups (DRGs), zunächst landesweit eine einheitliche Bepreisung von Krankenhausleistungen vorsieht, wird
neben der medizinischen Qualitätssicherung gleichberechtigt auch die wirtschaftliche Leistungserbringung in den Mittelpunkt rücken.
Seit einigen Jahren bemühen
sich Krankenhäuser, vor allem durch geeignete horizontale, aber auch vertikale Kooperationen Produktionskosten zu senken. In der aktuellen Diskussion befindet
sich eine Vielzahl von Beispielen für Vorhaben zu Krankenhausfusionen und Krankenhausakquisitionen zwischen unterschiedlichen Akteuren. Dieser Trend
dürfte sich in den kommenden Jahren auf dem stationären Krankenhausmarkt fortsetzen: Experten erwarten eine bisher in diesem Markt beispiellose
Akquisitions- und Fusionswelle.
Kooperationen,
Beteiligungen und Fusionen bedürfen der ökonomischen Bewertung hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken. Veräußerungen und Akquisitionen
erfordern fundierte Kaufpreisfestlegungen, denen in der Regel die Ermittlung subjektiver Grenzpreise vorausgeht.
Erste wissenschaftliche Untersuchungen zur Gestaltung von Krankenhaustransaktionen zeigen, dass in der bestehenden Transaktionspraxis etablierte Verfahren der
Unternehmensbewertung und systematische akquisitionsvorbereitende Due Diligence-Prüfungen kaum in elaborierter Weise Anwendung finden.
Der stationäre Krankenhausmarkt weist
eine Reihe erheblicher Besonderheiten auf:
- Eine Vielzahl in Teilen unüberschaubar wirkender sozialgesetzlicher Bestimmungen reglementiert den
Marktzugang für Krankenhäuser sowie die Abgrenzung zu anderen, vor allem ambulanten Leistungserbringern.
- Die Eigner von
Krankenhausunternehmen weisen ein sehr heterogenes Spektrum auf. Eine erhebliche Anzahl von Krankenhausunternehmen weist durch das
Gemeinnützigkeitsrecht steuerlich begünstigte metaökonomische Zielsetzungen auf.
- Das Nachfragepotenzial ist begrenzt auf das
natürliche Vorkommen stationär behandlungspflichtiger Erkrankungen.
- Die Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsrechtes definieren die
Erlöshöhe für stationär erbrachte Krankenhausleistungen. Wegen des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ist bundesweit die
jährliche Steigerungsrate des stationären Gesamtumsatzes an die Grundlohnsumme und damit an die volkswirtschaftliche Gesamtentwicklung und nicht etwa
an die Nachfrageentwicklung gebunden. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gem. § 71 SGB V besagt, dass die Vertragspartner auf Seiten der
Krankenkassen und der Leistungserbringer die jährlichen Vergütungsvereinbarungen für alle Leistungen nach dem SGB V, d.h. der Gesetzlichen
Krankenversicherungen, so anzupassen haben, wie sich die beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung verändern.
Hieraus resultiert, dass Mehrausgaben nur durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden
können.
Mit dem Forschungsprojekt Due Diligence und Unternehmensbewertung wird zum einen beabsichtigt, Methoden, Instrumente und
Prüfungskriterien einer Due Diligence-Prüfung für Krankenhäuser, inhaltlich bezogen auf die Besonderheiten des akutstationären
Krankenhausmarktes, aus ihrem inhaltlichen Begründungszusammenhang herzuleiten und ihren informationellen Nutzen für die Kaufpreisfindung von
akutstationären Krankenhausunternehmen zu demonstrieren. Zum anderen werden die in Literatur und Praxis etablierten Verfahren zur Unternehmensbewertung mit
Blick auf ihre Eignung zur Bewertung akutstationärer Krankenhausunternehmen diskutiert und Adaptionen vorgeschlagen.
Der mit dieser Zielsetzung verbundene konkrete Anwendungsnutzen besteht vor allem darin, durch eine branchenspezifische Adaption in der Betriebswirtschaftslehre
bekannter Verfahren und Instrumente auf den stationären Krankenhausmarkt eine rationalere Bewertung von Krankenhäusern zu ermöglichen. Auf
Basis des in dieser Arbeit entwickelten Instrumentariums soll eine Verbesserung der Chancen- und Risikobewertung von Krankenhausunternehmen zugänglich
werden. Die Möglichkeit für eine höhere Rationalitätssicherung von Entscheidungen über die Kapitalallokationen jetziger und
potentieller zukünftiger Eigen- und Fremdkapitalgeber kann so zu einer höheren (mikro- und makroökonomischen) Effektivität und Effizienz in
der Restrukturierung des deutschen Krankenhausmarktes beitragen.
Projektdauer:
Beteiligter Wissenschaftler:
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